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"Tribal Economy" - Staats-und Wirtschaftsgeschichte der Golfstaaten


Kaum eine Wirtschaftsregion dieser Welt wird in der Wahrnehmung der Weltöffentlichkeit so sehr von Stereotypen geprägt wie die arabischen Golfstaaten ( Der Golf heisst in Arabisch: Al Khalij.)

Für die Einen sind es die Länder der „Öl-Sheikhs“, die mit dem Beginn des Ölzeitalters nach dem ersten Weltkrieg aus dem Nichts der Geschichte und buchstäblich aus der Wüste auftauchten. Gesegnet mit reichlich “Petro Dollars” ließen sie in ihren Ländern zumindest die kleine Gruppe der einheimischen Staatsangehörigen zwar am Wohlstand teilhaben und ermöglichen ihnen eine sorgenfreie „Rentier-Existenz“, allerdings gehe dieser auf Kosten der politischen Partizipation am politischen Leben. Und auch auf Kosten eines großen Anteils der die übergroße Mehrheit der Einwohner stellenden „Expatriates“, von denen die meisten eben nicht gutbezahlte westliche „Experten“ sind, sondern Gastarbeiter aus Indien, Pakistan und anderen umliegenden Ländern.

Anderen sehen die Golfstaaten, zumindest Länder wie die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) oder Katar, nahezu als „Musterländle“ an, in denen der „Sheikh“ oder „Emir“ - umgeben von einer Elite von Beratern - als „wohlwollender Autokrat“ oder sozusagen als „CEO“ seine Visionen von der Entwicklung seines Landes realisieren kann. Und dabei werde er nicht, wie etwa in den parlamentarischen Demokratien des Westens, von parlamentarischer Opposition, Zivilgesellschaft, Bürgerinitiativen, Bürokratie oder Verwaltungsgerichtsbarkeit etc. behindert.

Ebenso wie es diese Stereotypen in der historischen und politischen Einschätzung der Golfstaaten gibt, so sehr prägen auch Stereotypen und eine große Unkenntnis die Einschätzung, wie die Wirtschaft der Golfstaaten funktioniert, wer die „Shakers and Movers“ im Wirtschaftsleben sind, welche zukünftigen Entwicklungslinien sich aufzeichnen lassen und welche Strategien und Verhaltensweisen man daraus für die Entwicklung seines eigenen Geschäfts am Golf ableiten kann oder sollte.

Wir wollen in den folgenden Ausführungen dieses Bild der Golfstaaten etwas korrigieren oder zumindest aufhellen. Dabei wollen wir nach einem Blick in die Geschichte zunächst einige Grundmuster aufzuspüren, die über die ganze politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung hinweg bis heute bestimmend sind. So etwa die tribalistische, d.h. auf Stammesstrukturen und Familien-Clans begründete Gesellschaft, die auch in gewissem Maße auch zu einer bis in die heutige Zeit hineinreichenden „tribal economy“ führte.

Geschichte der Golfstaaten

Zunächst gilt es mit dem Vorurteil aufräumen, die Golfregion sei quasi geschichtslos und erst sozusagen als Nebenprodukt des Erdölzeitalters auf die Weltkarte gekommen.

Vielmehr sind viele aktuelle Entwicklungen von der Vergangenheit geprägt, teilweise sogar von Entwicklungen in der frühen, vorislamischen Zeit, ganz besonders aber von denen, die in der Kolonialzeit begannen oder damals besonders akzentuiert wurden.

Richtig ist in der Tat, dass die Golfstaaten, bzw. konkret die Staaten des „Golfkooperationsrates“ (GCC) in ihrer heutigen geographischen und staatlichen Zusammenfassung noch relativ junge Gebilde sind.

Im Jahre 1935 erstellte das britische Außenministerium ein Memorandum mit dem Titel: "Die sieben unabhängigen arabischen Staaten".

Die Zahl der unabhängigen Staaten auf der Arabischen Halbinsel beträgt immer noch sieben. Aber von denjenigen, die vor weniger als einem Jahrhundert aufgeführt wurden (Jemen, Asir, Najd, Al-Hijaz, Kuwait, Jabal Shammar und Jawf ) existieren heute nur noch zwei in ähnlicher Form. Die heutigen sechs Staaten des Golfkooperationsrates, auf die wir uns hier konzentrieren wollen -Bahrain, Katar, Kuwait, Oman, Saudi-Arabien und die VAE– sind, mit Ausnahme von Saudi-Arabien, das etwas früher entstand, allesamt kaum weniger als vierzig bis fünfzig Jahre alt.

Man kann man die sechs Staaten im herkömmlichen Vokabular cum grano salis als „Monarchien“ bezeichnen, die bestimmte Charakteristika gemeinsam haben, insbesondere jeweils eine herrschende Familie („Ruling Family“), die den Staatsapparat und weite Teile der Wirtschaft kontrolliert, sowie eine relativ kleine einheimische oder besser eingeborene, weitgehend noch von Stammes- und Familienlinien geprägte Bevölkerung, die die herrschende Familie unterstützt und von dieser unterstützt wird.

Die Geschichte der Golfländer, bzw. ihrer Bevölkerung, reicht jedoch viel weiter zurück. Will man die großen Entwicklungslinien aufzeigen, muss man sogar bis in die Antike zurückgehen.

Der Persische Golf in Antike und Mittelalter

Wie meist, wenn man die Geschichte eines Landes oder einer Region einer näheren Betrachtung unterzieht, spielt die Geographie, konkret ihre geo-strategische Lage, eine wichtige Rolle.

Das wichtigste Element, das die sechs hier näher behandelten Länder des Persischen Golfes in ihrer Entwicklung und ihrer Geschichte gemeinsam haben, ist der hohe Grad ihrer Involvierung mit Völkern und Nationen jenseits der Region. Der Golf war schon seit ältesten Zeiten eine wichtige Wasserstraße, der die Völker, die an seiner Küste lebten, in frühen Kontakt mit anderen Zivilisationen brachte. Der Persische Golf liegt zwischen zweien der großen „Brotkörbe“ der alten Welt, nämlich einerseits der Gegend zwischen Euphrat und Tigris, Mesopotamien, welches so viel wie „zwischen den Flüssen“ bedeutet, im heutigen Irak und andererseits dem Niltal in Ägypten. Die beiden Flüsse stellten das Wasser zur Verfügung, das Landwirtschaft ermöglichte. Der fruchtbare Boden im Flusstal zwischen Tigris und Euphrat ermöglichte große Nahrungsüberschüsse. Landwirtschaft wiederum versetzte Völker in die Lage sich in einer bestimmten Region niederzulassen und einen Nahrungsüberschuss anzuhäufen, der es ihnen erlaubte, anderen Dingen als nur der Sorge für das tägliche Brot nachzugehen, nämlich eine Zivilisation zu schaffen und Handel zu betreiben. Mesopotamien - ein Teil dieser Region ist auch als „ fruchtbarer Halbmond“ bekannt – wurde nicht nur wichtig für die Nahrungsmittelversorgung, sondern auch für die Verbindungen von Ost nach West und wurde in der Antike so einer der Dreh- und Angelpunkte des internationalen Handels. Aber da es dort keine Wälder gab, aus denen man Holz gewinnen konnte und auch keine mineralischen Rohstoffe, etwa um Metall herzustellen, waren die Einwohner Mesopotamiens schon früh gezwungen, ihre Nahrungsmittel im Ausland gegen andere Rohmaterialien zu tauschen. Sie fanden Kupfer in Magan, einer alten Stadt, die irgendwo im heutigen Oman lag. Über Magan trieben sie auch Handel mit anderen Völkern, um Bauholz und andere Endprodukte zu erwerben. Im Laufe der Zeit entwickelt sich andere Städte, die ebenso exklusive Anlaufziele waren.

Der Handel zwischen Mesopotamien und Indien wurde erleichtert durch die geringe Ausdehnung des Persischen Golfes. Der Weg übers Wasser war der einfachste Weg für den Gütertransport und schon relativ früh kreuzten Seeleute über den Golf entlang der Küsten von Persien bis an die Mündung des Indus.

Eine der bekanntesten Städte in dieser Zeit war Dilmun im heutigen Bahrain. Ausgrabungen auf der Insel liefern Indizien, dass die Bewohner außer mit Landwirtschaft ihr Geld auch mit dem Ost-West Handel verdienten, und daß auch andere Städte am Persischen Golf es ihnen gleichtaten. So entwickelten sich auch ähnlich komplexe Gesellschaften und auch ähnliche Religionen.

Die Völker an der Golfküste unterschieden sich von denen im Innern der arabischen Halbinsel. Die Völker im Innern waren Nomaden, die keine Zeit und auch keine Notwendigkeit hatten, komplizierte soziale Strukturen zu entwickeln. Wenn die Wüste nicht genügend Futter hergab für ihre Herden, drangen die Stämme in die Dattelplantagen oder andere landwirtschaftliche Gebiete in den Siedlungen vor. Die Zentren an der Golfküste ebenso wie die Zentren in Mesopotamien waren deshalb häufig das Ziel nomadischer Einfälle. Als Resultat nahm etwa im zweiten Jahrtausend v.Chr. der Golf mehr und mehr einen arabischen Charakter an. Einige arabische Stämme aus dem Inneren gaben ihr nomadisches Dasein und die Weidewirtschaft auf und übernahmen Dattelplantagen in den Oasen der Region. Andere wiederum wandten sich der Seefahrt zu, um sich dem Handel oder der Piraterie zu widmen, damals die wichtigsten wirtschaftlichen Beschäftigungen in der Region. Die nomadischen Einfälle aus dem Landesinnern in die Küstenregionen änderten auch immer wieder die ethnische Balance und auch die politische Herrschaft an der Golfküste.

Im zweiten Jahrtausend v.Chr. stand der Handel in voller Blüte. Das historische Dilmun war zu großem Wohlstand gekommen nachdem das assyrische Reich seinen Einfluss bis nach Ägypten ausdehnte und ein Reich kontrollierte, das sich von Afrika und bis zum Persischen Golf erstreckte. Einige Jahrhunderte später ebbten – auch dies brachte die Archäologie zu Tage - sowohl die Qualität wie auch die Quantität der Waren aus Mesopotamien, die Dilmun passierten, erheblich ab. Hinzu kam, dass eine alternative Handelsroute entstand, die Indien mit den Mittelmeer über das Arabische Meer verband, von dort aus weiterführte in den Golf von Aden und schließlich von dort in das Rote Meer, wo die Pharaonen einen Kanal gebaut hatten, der das Rote Meer mit dem Nil verband. Diese neue Route stellte nicht nur einen Zugang zu den Häfen am Mittelmeer her, sondern durch diese mediterranen Häfen zum ganzen Westen.

Eine der Möglichkeiten für einen Herrscher, Waren über sein eigenes Land zu dirigieren, war es, Transitpunkte entlang der Handelsrouten zu kontrollieren. Oman war wichtig für die Herrscher von Mesopotamien, da es sowohl eine Quelle für Rohmaterialien war, als auch wichtig für die Durchfahrt von Gütern aus dem Osten. Wenn auch zu einem hohen Preis, hatte Oman durch seine Flotte Einfluss über andere Städte am Golf. Wenn Mesopotamien stark war, versuchten seine Herrscher Oman zu übernehmen. Wenn Oman stark war, drangen seine Herrscher über den Golf nach Mesopotamien vor. Einer der grundlegenden Konflikte in der Geschichte des Golfs war so auch schon damals der Kampf der einheimischen Völker gegen Mächte von außen, die den Golf wegen seiner strategischen Bedeutung kontrollieren wollten.

Der Wettstreit zwischen den Handelsrouten am Roten Meer und am Persischen Golf wurde etwa um das Jahr 1000 v. Chr. verschärft durch das Aufkommen neuer Landrouten. Denn der technische Fortschritt im ersten und zweiten Jahrtausend vor Christus machte diese Landrouten zunehmend attraktiv für den Gütertransport. Die Domestizierung des Kamels und die Entwicklung eines Sattels, der es ermöglichte, auf diesem, für die Durchquerung der Wüste idealen, Tier große Lasten zu transportieren, erlaubte es nunmehr den Kaufleuten Waren mitten durch Zentral-Arabien zu schicken. Als Folge entwickelten sich am Ende des ersten Jahrtausends v. Chr. im Landesinneren Zentren, die diesen sprunghaft anwachsenden Karawanenhandel bedienten. Dieser Überlandhandel trug dazu bei, den Persischen Golf weiter zu arabisieren, indem er die Nomaden aus dem Inneren in immer engeren Kontakt mit ihren Verwandten an der Küste brachte.

Es folgte eine Serie anderer Eroberungen in verschiedenen Zeiträumen. Im Jahre 325 v. Chr. schickte Alexander der Große eine Flotte von Indien, um die östliche Küstenlinie den Golf hinaus bis zur Mündung von Euphrat und Tigris zu erkunden und andere Schiffe, um die arabische Seite dieses Wasserweges zu erforschen. Diese zeitweilige griechische Präsenz in der Region verstärkte in den nächsten zwei Jahrhunderten das Interesse des Westens am Golf. Alexanders Nachfolger jedoch kontrollierten die Region nicht lange genug, als dass sie etwa den Persischen Golf zu einem Teil der griechischen Welt hätten machen können. Etwa um 250 v. Chr. verloren die Griechen ihr ganzes Territorium östlich von Syrien an die Parther, eine persische Dynastie im Osten. Die Parther brachten den Golf unter persische Kontrolle und dehnten ihren Einfluss bis nach Oman aus. Im dritten Jahrhundert n. Chr. folgten den Parthern die Sassaniden, eine andere persische Dynastie, die die Kontrolle über die Region behielt bis zum Aufstieg des Islams vier Jahrhunderte später. Unter der Herrschaft der Sassaniden erreichte der persische Einfluss am Golf seinen Höhepunkt. Oman war längst keine Gefahr mehr, und die Sassaniden waren stark genug, um dort landwirtschaftliche Kolonien anzulegen und einige der nomadischen Stämme als Grenzwächter zu engagieren, um ihre westliche Flanke gegen die Römer schützen. Diese landwirtschaftlichen und militärischen Kontakte öffnete die Bevölkerungen am Golf weit dem persischen Einfluss und der persischen Kultur, wie man es heute noch in bestimmten Bewässerungstechniken im Oman sehen kann.

Der Golf blieb weiterhin eine Kreuzung in verschiedene Richtungen und seine Völker nahmen sowohl persische Glaubensrichtungen wie etwa den Zoroastrismus oder etwa westliche, mediterrane Ideen auf. Das Judentum und das Christentum erreichte den Persischen Golf von verschiedenen Seiten: von jüdischen und christlichen Stämmen in der arabischen Wüste, von äthiopischen Christen südwärts und schließlich auch aus Mesopotamien, wo jüdische und christliche Gemeinschaften unter der Herrschaft der Sassaniden florierten. Während aber der zoroastrische Glaube augenscheinlich auf die persischen Kolonisten beschränkt blieb, wurde das Christentum und das Judentum von einigen Arabern angenommen.

Die Popularität dieser Religionen verblasst jedoch verglichen mit dem Enthusiasmus, mit welchem die Araber den Islam begrüßten.

Die frühe islamische Gemeinde war im Wesentlichen expansionistisch, gleichermaßen beseelt von der Glut des Glaubens, wie auch von wirtschaftlichen und sozialen Faktoren. Nachdem sie die Kontrolle von Arabien und der westlichen Golfregion erlangt hatten, breiteten sich die Eroberungs- Armeen über die ganze Halbinsel aus und verbreiteten den Islam. Gegen Ende des achten Jahrhunderts hatten die islamischen Armeen bereits Nordafrika erreicht und im Osten und Norden große Teile von Asien erobert.

Auch die Araber in Oman übernahmen bereitwillig den Islam. Nach der Legende sandte der Prophet Mohamed einen seiner militärischen Führer nach Oman, um nicht nur die arabischen Einwohner, von denen viele Christen waren, zum Islam zu bekehren, sondern auch die persische Garnison, die dem zoroastrischen Glauben anhing. Die Araber akzeptierten den Islam, die Perser taten es nicht. Es war teilweise der glühende Glaubenseifer dieser frisch konvertierten Araber, der sie inspirierte, die Perser aus dem Oman zu vertreiben.

Auch in der islamischen Periode war der Wohlstand am Persischen Golf eng verbunden mit den Märkten in Mesopotamien. Entsprechen prosperierte der Persische Golf, als im Jahr 750 n.Chr. Bagdad der Sitz des Kalifen und das Hauptzentrum des Islam wurde. Wegen der verstärkten Nachfrage nach ausländischen Gütern segelten Kaufleute immer weiter und weiter. Um das Jahr 1000 n.Chr. etwa reisten sie bereits regelmäßig nach China. Dieser Osthandel war auch instrumentell für die Verbreitung des Islam Richtung Osten, zuerst nach Indien und weiter nach Indonesien und Malaysia.

Im Mittelalter war der ismailitische Zweig der schiitischen Glaubensrichtung eine ganz besonders mächtige Macht am Golf. Ismailiten hatten ihren Ursprung in Irak, aber sehr viele wanderten im 9. Jahrhundert an den Golf aus, um den sunnitischen Autoritäten zu entkommen. Eine ihrer späteren Richtungen, die sog. Qarmaniten, beherrschten für den größten Teil des zehnten Jahrhunderts von ihrer Basis in Bahrain aus nahezu den ganzen Golf und den Nahen Osten. Sie kontrollierten die Küste Omans und erhoben Tribute von den Kalifen in Bagdad, wie auch von einem rivalisierenden ismailitischen Imam in Kairo, den sie nicht anerkannten.

Während des Mittelalters kontrollierten muslimische Länder aus dem Nahen Osten den Ost-Westhandel. Diese Kontrolle änderte sich im 15. Jahrhundert jedoch durch die Portugiesen. Aufgrund deren Fertigkeit und Technik, große Schiffe mit tiefen Bäuchen zu bauen, die auch in stürmischem Gewässer seetüchtig blieben, wurden sie in die Lage versetzt, immer längere Reisen zu unternehmen. Sie fanden schließlich auch einen Weg, Afrika südlich zu umschiffen und so kamen sie in Kontakt mit muslimischen Städten auf der anderen Seite des Kontinents, in Ost-Afrika. Dort heuerten sie arabische Lotsen an, die sie bis nach Indien brachten, wo sie sich schließlich in Kalkutta an der Malabar – Küste im süd-westlichen Teil des indischen Sub-Kontinents niederließen.

Einmal in Indien festgesetzt, nutzten die Portugiesen ihre überlegenen Schiffe, um Güter statt über die Mittelmeer-Route um Afrika herum zu transportieren. Damit konnten sie die ägyptischen Zwischenhändler ausschalten. Die Portugiesen dehnten sodann ihre Kontrolle auf den lokalen Handel am Arabischen Meer aus indem sie Küstenstädte in Oman und Iran einnahmen und an beiden Seiten des Persischen Golfs Forts und Zollhäuser errichteten. Den lokalen Herrschern gestatteten die Portugiesen in ihrem Gebiet weiterhin die Kontrolle auszuüben, kassierten dafür aber von ihnen Tribut.

Am meisten von dieser portugiesischen Machtentfaltung betroffen war der safawidische Shah von Iran, Abbas I (1587-1629). Denn der Sheikh von Hormuz, der die effektive Kontrolle über die Häfen am Golf ausübte, entrichtete Tribut an den Shah. Nach ihrer Ankunft zwangen ihn aber die Portugiesen diesen Tribut nunmehr an sie zu entrichten. Der Shah konnte dagegen wenig tun, denn Iran war zu schwach, um die Portugiesen herauszufordern.

Dafür brauchte der Shah eine andere europäische Macht. Er lud daher die Briten und die Holländer ein, die Portugiesen aus dem Golf zu vertreiben und versprach ihnen als Gegenleistung die Hälfte seiner Einnahmen aus iranischen Häfen.

Beide Länder antworteten positiv auf die Bitte des Shahs, aber die Briten waren effektiver. Im Jahre 1622 attackierten sie gemeinsam mit einigen Truppen des Shahs die Festung von Hormuz und vertrieben die Portugiesen aus ihrem dortigen Handelszentrum. Anfangs kooperierten auch die Holländer mit den Briten, aber schließlich wurden die beiden Länder bei ihrem Bemühen, den iranischen Markt zu erobern, zu erbitterten Rivalen.

Die Briten gewannen schließlich den Kampf und so entwickelte sich Großbritannien seit Beginn des 19. Jahrhunderts zur maßgeblichen Kraft am Persischen Golf.

Vom Zeitalter des britischen Kolonialismus bis zur Unabhängigkeit

Am Ende des 19. Jahrhunderts war die Region, die einmal die Region der GCC- Staaten werden sollte, schon fest eingebettet in das britische Kolonialreich. Eine Ausnahme bildeten die Gegenden des Najd und Hijaz, das zukünftige Saudi Arabien, sowie einige aufsässige arabische und iranische Stämme entlang der Golfküste.

Überall am Golf unterstützten die Briten die Konzentration der Macht in den Händen individueller Führer, der „Sheikhs“, die jeweils in eine große „herrschende Familie“ eingebettet waren, die ihrerseits meist ihre Herkunft auf einen der Stämme auf der arabischen Halbinsel zurückführen konnte.

Auf Grundlage der Sanktionierung ihrer Herrschaft durch die Briten und mit deren Unterstützung verschafften sich die Herrscher Wohlstand durch die Erhebung von Steuern auf das Perlentauchen, den Warenhandel und auch auf einige landwirtschaftliche Aktivitäten, insbesondere auf die Anlegung von Dattelplantagen.

Die Hauptsorge Großbritanniens war, andere Kolonial- und Regionalmächte aus der Golfregion herauszuhalten und ihre eigene Position im lukrativen Handel mit Perlen und anderen Waren zu sichern. Diese britischen Interessen am Golf waren eingebettet in einen breiteren kolonialen Rahmen, der um eine permanente Kontrolle von Indien durch das britische Empire zentriert war.

Als Resultat dieser wirtschaftlichen Unterordnung unter den von den Briten kontrollierten Handel waren die herrschenden Scheichs entlang der Golfküste weitgehend abhängig von britischer Unterstützung. Den Briten war diese Tatsache wohl bekannt und sie verfolgten eine klar artikulierte Politik des „teile und herrsche“ innerhalb der Region, indem sie das Territorium in viele kleine Scheichtümer unterteilten, die auf eine äußere Macht für ihr Überleben angewiesen waren und inkorporiert waren in einen Vertrag zwischen dem Herrscher und den Briten. Die zahllosen Grenzkonflikte, die bis zum heutigen Tag am Golf bestehen -zwischen Kuwait und Irak, zwischen Iran und den VAE, zwischen Saudi Arabien und dem Emirat von Abu Dhabi, zwischen Katar und Bahrain und schließlich zwischen dem Emirat von Ras Al Khaimeh und Oman usw. - sind großteils ein Erbe dieser britischen Politik.

Im 20 Jhd. wurden diese Grenzkonflikte natürlich akzentuiert durch die potentiellen Öl- und Gasreserven, die innerhalb dieser Grenzen lagen.

Dabei ist wichtig darauf hinzuweisen, daß der Begriff der „territorialen Grenzen“ ein importierter Begriff war. Denn die weitgehend nomadische Bevölkerung der Region sah Geographie eher durch die Linse sich immer wieder ändernder Stammesinteressen, als durch fixe Grenzen.

Innerhalb dieses allgemeinen Rahmens gab es jedoch signifikante Unterschiede zwischen den Staaten, die schließlich später den Golfkooperationsrat bildeten. Im Folgenden sollen die Entwicklungslinien der einzelnen späteren Staaten kurz skizziert werden.

1.1 Saudi-Arabien

Die im Inneren der arabischen Halbinsel gelegenen Gebiete von Najd und Hijaz hatten einen weit größeren Grad von Unabhängigkeit von Großbritannien als die Gegenden an der Golfküste.

Außer für eine kurze Zeit zwischen 1915 bis 1927 waren beide Regionen nicht durch einen Vertrag an Großbritannien gebunden. Ihr Status schwankte zwischen einer losen osmanischen „Suzeranität“ und den Ansprüchen von rivalisierenden Stämmen im Innern des Najd. Der erste saudische Staat wurde 1744 in Najd gegründet. Die Dynastie, die schließlich siegreich in dem Kampf um die Kontrolle der beiden Regionen hervorging, die Al Saud, bezogen ihren Reichtum eher von feudalen Tributzahlungen seitens nomadischer Stämme statt von Steuern auf kaufmännische Aktivitäten, wie es entlang der Küstenregion üblich war.

Städte spielten dabei eine wichtige Rolle als Stützpunkte der Kontrolle für die Al Saud, nämlich als Punkte zentralisierter Macht, Wohlstand und Herrschaft über andere Stämme, ergänzt um permanente Kriegsführung. Dieser ununterbrochene Drang zur Kriegsführung war ideologisch abgesichert durch die militante Doktrin, die von der radikal-islamischen wahabitischen Sekte der „Muwahiddun“ vertreten wurde und die kriegerische Eroberungen im Namen religiösen Eifers rechtfertigte. Diese religiös-militärische Symbiose, die die Basis für die Herrschaft der Al Saud war, verlieh diesem embryonalen Staat einen mächtigen expansionistischen Charakter. Die schwächeren Nachbarn - Kuwait, Katar, Bahrain, Oman und Abu Dhabi - waren dadurch noch mehr gezwungen, sich angesichts dieser aggressiven Nachbarschaft an Großbritannien anzulehnen.

1.2 Kuwait

Ganz besonders Kuwait war eingeklemmt zwischen den Kräften des sich ausdehnenden Saudi-Arabien, dem osmanischen Reich und dem britischen Kolonialismus. Es hatte eine relativ wohlhabende Kaufmannsschicht, die weitgehend früher aus dem Najd, also dem Inneren Saudi-Arabiens, zugewandert war. Durch seine Lage am Ausgangspunkt des Golfes, wo es eine Kreuzung bildete mit dem Überlandhandel durch den Irak, gelangte die Kaufmannschaft zu Wohlstand durch Perlentauchen und Perlenhandel, Schiffsbau und Lagerwesen für den Fernhandel. Über dieser Kaufmannschaft stand die Familie der Al Sabah, die sich Ende des 18. Jahrhunderts an die Spitze setzte. Die relative Stärke der Kaufmannsschicht gegenüber den Al Sabah, die von diesen einen erheblichen Teil der Importsteuer bezogen, führte dazu, dass die Geschichte Kuwaits vor dem Ölzeitalter weitgehend bestimmt war von immer wiederkehrenden Wellen von Konflikten und Versöhnungen zwischen den Al Sabah und den Kaufleuten und bis in die frühen Jahre des 19. Jahrhunderts hinein oft auch akzentuiert durch die Drohung der Kaufmannsschicht mit Auswanderung. Die enge Allianz, welche die „Ruling Family“ der Al Sabah mit der britischen Regierung am Vorabend des Ersten Weltkrieges schloss, war weitgehend eine Antwort auf die Konflikte mit der Kaufmannschaft und auch teilweise auf den Druck Saudi-Arabiens und des osmanischen Reiches. Diese enge Verbindung zwischen Kuwait und Großbritannien setzte sich auch nach der Entdeckung von Öl fort und so wurde dann etwa später das „Recycling“ der kuwaitischen Öleinnahmen durch die britische „Sterling-Zone“ ein wichtiger Schritt für die Entwicklung von Finanzinstitutionen in Kuwait

1.3 Die „Trucial States“

Im Jahre 1819 bombardierten britische Kriegsschiffe Ras Al Khaimah (damals Julfar), den Stammsitz der Al Qawasim (Einzahl: Al Qasimi), einer Stammesgruppe, die für lange Zeit von hier aus die Seefahrt am Golf kontrolliert hatte.

Britanniens Vorherrschaft über die südliche Golfküste manifestierte sich durch die Auferlegung von Einschränkungen hinsichtlich der Seefahrt für die arabische Bevölkerung. Diese Beschränkungen waren gegen die - in der Interpretation der Briten - „arabische Piraterie“ sowie den Sklavenhandel gerichtet und wurden formalisiert in den Verträgen über den „immerwährenden maritimen Frieden“, die ab 1853 unterzeichnet wurden.

In diesen „Trucial Agreements“ untersagten die Briten den sieben „Ruling Sheikhs“ auch, mit einer anderen ausländischen Macht in Verhandlungen zu treten und verboten ihnen, eine Marine aufzubauen. Die britische Kontrolle war so streng und exzessiv, dass praktisch kein Ausländer ohne ihre Erlaubnis den Golf betreten konnte. Diese Kontrolle wurde ausgeübt durch einen einheimischen Agenten, normalerweise eine Persönlichkeit aus Indien oder der iranischen Küste, deren Aufgabe darin bestand, über politische Entwicklungen und Stammesallianzen zu berichten und die Eintrittsgenehmigungen in die Region zu kontrollieren. Der einheimische Agent berichtete an den britischen politischen Repräsentanten, der zunächst in Bushir, Iran, seit 1834 in Bahrain, stationiert war. Letzterer wiederum berichtete an die Regierung von Britisch- Indien, die der Regierung in London unterstellt war. Durch die Abkommen blockierte Großbritannien jegliche Entwicklung in Richtung innerer Einheit zwischen den sieben Scheichs, die ohne britische Vermittlung untereinander nicht verhandeln konnten. Großbritannien nutzte auch die unvermeidlichen Konflikte zwischen den Scheichs als einen Weg, sich selbst als externer Schiedsrichter und Power-Broker zu positionieren.

Ab Anfang des 20. Jahrhunderts wurde besonders Dubai als ein wichtiger Hafen für die britisch-indische Dampfschifffahrtsgesellschaft wichtig für den britischen Kolonialismus, nachdem der Shah von Iran britische Miet- und Steuerrechte für iranische Kaufleute im Hafen von Lingah, der auf der westlichen, iranischen Seite des Golfs lag, abgeschafft hatte. Bestärkt durch die Entscheidung des Scheichs von Dubai, Rashid Al Maktoum, iranischen Kaufleuten Schutz und Steuerfreiheit zu gewähren, wenn sie Lingah Richtung Dubai verlassen, wurde Dubai zu einem florierenden Anziehungspunkt für Kaufleute, die von den dort geltenden Steuerbefreiungen profitierten. Als jedoch in den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts in Abu Dhabi Öl gefunden wurde, stand Dubai zunehmend im Schatten seines wohlhabenderen Nachbarn.

Die sieben „Trucial States“ schlossen sich, nachdem die Briten im Jahre 1971 abgezogen waren, schließlich zusammen als die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE)

1.4 Katar

In Katar und Bahrain unterschied sich das Verhältnis zwischen dem Herrscher und dem Rest der Bevölkerung von dem in anderen Golfstaaten. Im Jahre 1766 ließen sich die Familien-Clans der Al Khalifa und der Al Jalaheema in Al Zubara an der Westküste Katars nieder, nachdem sie Kuwait verlassen hatten. Diese Familien errichteten dort ein florierendes Perl- und Handelszentrum, das mit alten stammesmäßigen Verbindungen in Kuwait rückgekoppelt war.

Der andere wichtige Familien-Clan, der in Katar siedelte, waren die Al Thani, die ursprünglich ebenfalls aus dem Landesinneren Saudi-Arabiens, dem Najd, zugewandert waren. Katar jedoch war gegenüber dem benachbarten Bahrain, das zu dieser Zeit unter der Kontrolle des Irans stand, von geringerer Bedeutung. Im Jahre 1783, im Kontext einer mehrere Jahre währenden Rivalität mit den Matareesh, einem arabischen Stamm, der Bahrain beherrschte und Loyalität an Iran schuldete, eroberten die Al Khalifa und Al Jalahima Bahrain und siedelten dorthin auch ihre Perlen- und Handelsaktivitäten um. Katar wurde zurückgeworfen auf eine Ansammlung von unwichtigen Perl- und Fischerstädtchen und wurde von den meisten als ein Anhängsel von Bahrain betrachtet. Eine der Konsequenzen daraus war, dass die Al Thani, die nach der Abwanderung der Al Khalifa und der Al Jalahima im Lande blieben, eine relativ arme „Ruling Family“ wurden, die mit einer noch weniger wohlhabenden Kaufmannsschicht im Lande verblieb. Aus Katars kleiner Bevölkerungszahl folgte auch, dass der Al Thani –Clan einen großen Anteil an der Gesamtbevölkerung stellte. Nach einigen Schätzungen bestand im Jahre 1900 die Bevölkerung aus „Al Thani“.

Die Schwäche der Kaufmannsklasse und die relative Größe des Al Thani-Clans bedeutete, dass politische Dispute in Katar meistens ihre Ursache hatten in Streitigkeiten zwischen zersplitterten Fraktionen und Zweigen der Al Thani. Eine dünne Hand voll Kaufleuten, hauptsächlich die Al Darwish und die Al Mana blieben jedoch den Al Thani eng verbunden und entwickelten sich schließlich zu einem wichtigen Element der neuen katarischen Wirtschaftselite, die sich heute des höchsten Bruttosozialprodukts der Welt pro Kopf der Bevölkerung erfreuen kann.

1.5 Bahrain

Die Allianz zwischen den Al Khalifa und den Al Jalahima brach kurz nach der Eroberung von Bahrain im Jahre 1783 auseinander und die Al Khalifa wurden zu den unumstrittenen Herrschern der Insel.

Bahrain war nun eine Schlüsselstation für Handel und kaufmännische Aktivitäten am Golf. Es war auch der wichtigste Hafen für den Handel indischer Waren zwischen Basra (im heutigen Irak) und Muskat (Oman) und war gleichzeitig eines der wichtigen Perlzentren am Golf. Die Niederlage der Matareesh gegenüber den Al Khalifah führte in Bahrain auch zu einer sehr wichtigen sozioökonomischen Entwicklung im Vergleich zum Rest der Golfstaaten. Im Unterschied zu Katar, Kuwait sowie den Scheichtümern, die schließlich zu den VAE wurden, taten sich die Al Khalifa mit einer existierenden sunnitischen Gemeinschaft zusammen, die viel kleiner war als die schiitische Mehrheit der Bevölkerung. Diese religiösen Differenzen spiegelten sich auch wieder in sozialen Differenzen. Die Sunniten stellten die Mehrheit der kaufmännischen und herrschenden Elite, während die ärmeren Schiiten ländliche Dattelbauern oder Fischer waren. Schiitische Bauern waren gezwungen, eine Weg- und Wassersteuer an die Al Khalifa zu bezahlen, entsprechende Abgaben wurden gegenüber der sunnitischen Bevölkerung nicht erhoben. Im Laufe der Zeit begann sich auch Friktionen innerhalb der schiitischen Bevölkerung zu entwickeln,als einigen Schiiten Positionen als Minister gegeben wurden und sie damit das Recht erlangten, Land umzuverteilen und Pacht einzutreiben. Diese soziale Struktur bedeutete, dass die grundlegende Teilung in der Gesellschaft von Bahrain folgendermaßen verlief: auf der einen Seite standen die Al Khalifa und die mit ihnen verbündeten sunnitischen Stämme sowie eine kleine privilegierte Schicht von Schiiten und auf der anderen Seite die Mehrheit der meist armen schiitischen Bevölkerung. Während man also deshalb die Politik von Bahrain nicht unbedingt als stringent „sunnitisch versus schiitisch“ interpretieren kann und politische Oppositionsgruppen in der Geschichte sorgfältig darauf achteten, Koalitionen jenseits der glaubensmäßigen Unterscheidungen zu bilden, so ist doch der Abdruck dieser frühen Geschichte auch auf die heutige Zeit noch ganz aktuell und sehr deutlich zu spüren.

1.6 Oman

Von allen arabischen Golfstaaten war Oman vielleicht am meisten betroffen vom britischen Kolonialismus, obwohl es offiziell zu keiner Zeit eine britische Kolonie oder ein britisches Protektorat war. Oman war das Zentrum eines vibrierenden Handelssystems im Indischen Ozean und beherrschte einen großen Teil des Handels zwischen Afrika, Indien und der arabischen Halbinsel. Schlüssel für den Wohlstand Omans war seine Kontrolle über die ostafrikanische Insel von Sansibar, die das wichtigste Zentrum des Handels zwischen dem afrikanischen Binnenland und einem aufstrebenden, sich industrialisierenden Europa war. Nahezu der gesamte lukrative Ostafrika-Handel mit Sklaven, Tierprodukten und Rohmaterialien passierte Sansibar auf seinem Weg nach Europa über Indien. Als in den frühen Jahren des 19. Jahrhunderts Großbritannien und Frankreich sich um die Vorherrschaft im indischen Ozean stritten, kam dieser Handel weitgehend zum Stillstand, wurde aber dann ersetzt durch den extrem profitablen Anbau von Gewürzen, wieder unter der Kontrolle omanischer Landbesitzer. Etwa um das Jahr 1860 jedoch verlor Oman seine Kontrolle über Sansibar und seine ostafrikanischen Sitzungen, nachdem Britannien einen Nachfolgezwist innerhalb der omanischen herrschenden Familie, Al Bu Said, geschlichtet hatte. Den Briten gelang es, Oman zu dominieren, indem sie militärisch ihrem Hauptverbündeten in der Hauptstadt des Landes Maskat, Taimur Ibn Faisal, gegenüber Bedrohungen von Stämmen im Inneren der arabischen Halbinsel beistanden. Das Land verarmte rapide, wobei die Hauptsorge der Briten darin bestand, die strategische Kontrolle über den Eingang der Meeresenge von Hormuz zu behalten. Die omanische Armee wurde befehligt von britischen Offizieren, Entscheidungen des Sultans wurden überwiegend aufgrund von Anweisungen von britischen Repräsentanten getroffen und im Jahre 1891 wurde ein Vertrag geschlossen, der es Oman untersagte, Territorium abzugeben außer es war im britischen Interesse. Omanische Araber konnten nicht am Handel teilnehmen und Reisen ins Ausland waren für sie nahezu unmöglich. Inder, die von den Briten geschützt wurden, kontrollierten weitgehend die kaufmännischen Aktivitäten. Darüberhinaus brachten die Briten sunnitische Muslime aus Baluchistan, einer Gegend im heutigen Pakistan, ins Land und füllten damit die Armee auf. Auch heute noch machen Baluchen einen signifikanten Teil der omanischen Bevölkerung aus (etwa 12 %) und eine wichtige Familie in der gegenwärtigen omanischen Wirtschaftselite, die Al Zubair, soll baluchische Ursprünge haben.

Zusammenfassend kann man zu diesem geschichtlichen Überblick der Golfstaaten sagen, dass zu Anfang des Ölzeitalters, etwa beginnend mit den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts, der größte Teil des Golfs eng an das britische Kolonialsystem angebunden war, allerdings mit der wichtigen Ausnahme von Saudi Arabien. Jeder der zukünftigen GCC- Staaten wurde kontrolliert durch eine herrschende Familie, die sich in unterschiedlichem Maße auf ein Netzwerk von mächtigen Kaufmannsfamilien und Unterstützung durch das britische Kolonialreich stützte. Viele dieser früheren Kaufmannsfamilien, bildeten, zusammen mit Gruppen, die sich im Ölzeitalter neu herausbildeten, die Proto-Schicht für die heutige Wirtschaftselite. Sie formen das soziale Substrat, das durch einen komplizierten Entwicklungsprozess in der nachfolgenden Ära sich hin zu dem zeitgenössischen Privatsektor entwickelte.

Doch bevor wir uns der modernen Wirtschaftsgeschichte der Golfstaaten zuwenden, ist es unabdingbar, sich mit der Bedeutung des „Stammes“ in Geschichte und Struktur der Golfstaaten zu beschäftigen, da der Stamm und seine Untergruppierungen und Ableitungen auch hier eine wichtige Rolle spielen.

Die traditionelle Stammesgesellschaft in den Golfstaaten

Wenn man aus den historischen Entwicklungslinien der sechs Staaten des Golfkoperationsrates etwas Gemeinsames herauskristallisieren will, so taucht immer wieder der Begriff der „Familie“ (Family) auf.

Die Familie ist wiederum eine Untereinheit eines Stammes oder Stammesverbandes. Die führende Familie innerhalb des Stammes stellt den Scheich, so dass man sie auch als „Scheichfamilie“ (Shaikhly Family) bezeichnen kann. Aus diesen Scheichfamilien haben sich dann im Laufe der noch dazustellenden Entwicklung die Herrscherfamilien (Ruling Families) entwickelt. Und schliesslich die Kaufmannsfamilien (Merchant Families), die in allen Golfstaaten schon seit langer Zeit die dritte Säule der Gesellschaft darstellten.

Diese drei Gruppen repräsentieren die Topeliten in den Golfstaaten, die sowohl die politische wie auch die wirtschaftliche Macht ausüben. In der Vergangenheit waren diese Gruppen nicht nur an der Spitze des Systems positioniert, sondern galten als unanfechtbar. Mit den enormen, im Folgenden noch darzustellenden wirtschaftlichen und sozialen Änderungen, die sich in den Staaten abspielen, wurden die Monopole dieser Gruppen sicherlich aufgebrochen. Aber sie halten immer noch die Vorherrschaft an Autorität, Macht und Wohlstand.

Die traditionelle Stammesgesellschaft.

Die prinzipielle politische Einheit in den Golfstaaten ist der Stamm, dezentral und von Natur aus egalitär. Der Stamm ist die größte traditionelle Institution in den Gesellschaften des arabischen Golfs. Er ist auch die älteste überlebende soziale Struktur auf der arabischen Halbinsel und bestand schon vor dem Islam. Die Verbundenheit zu einer größeren staatlichen Struktur, falls überhaupt gegeben, war nebensächlich und beruhte entweder auf Gewalt oder vorübergehendem Eigeninteresse.

Die Zugehörigkeit zu den ungeschriebenen stammesmäßigen Regeln und Gebräuchen (gewöhnlich als urf bezeichnet) dominierte seit undenklichen Zeiten die Gesellschaften am Golf.

Besonders in ländlichen Gegenden stand der Stamm im Zentrum der Existenz eines Individuums, in vielerlei Hinsicht war er so etwas wie ein sich selbst genügendes, auf sich allein gestelltes Gebilde, sowohl politisch, wie auch wirtschaftlich und auf jeden Fall gesellschaftlich. Lange herrschte im Westen ein ziemlich romantischer Blick auf die Stämme der arabischen Halbinsel vor. Dieser Blick wurde verklärt durch zahlreiche Bücher im 19. und 20. Jahrhundert, geschrieben vorwiegend von britischen politischen Agenten, Soldaten und Reisenden, wie sie etwa auch in das Skript zu dem Film "Laurence von Arabien“ einflossen. Viele dieser Autoren verurteilten insgeheim die Ankunft des modernen Westens in Arabien und idealisierten den vormodernen Lebensstil der Stämme oder die Stammesangehörigen als geborene Krieger oder ausgezeichnete Unterhändler.

Traditionell lag die Führung des Stammes bei dem Scheich, ursprünglich ein Ehrentitel, der Respekt für einen älteren und weisen Mann im Stamm ausdrückte. Der Scheich konnte auch ein inspirierender ausgewählter Führer im Sinne eines „primus inter pares“ sein.

Die Kraft des Zusammenhaltes innerhalb eines Stammes ist sehr unterschiedlich. Auf der einen Seite des Spektrums gibt es eng verbundene Stämme unter der Führung eines „Tamima“, eines Ober-Sheikhs („Paramount Sheikh“), der politische Autorität über alle Zweige des Stammes hat. Auf der anderen Seite des Spektrums kann ein Stamm nur aus einer losen Föderation von autonomen Untergliederungen bestehen. Dabei haben eine ganze Reihe von Stämmen sowohl sesshafte als auch nomadische Untergliederungen. Genauso wichtig ist die Einsicht, dass die Stammespolitik in ständigem Wechsel ist. Die Formation von neuen Stämmen ist nicht ungewöhnlich, wie sich zum Beispiel aufzeigen lässt an dem Stamm der Balush, der zusammengesetzt ist aus ethnischen Baluchis aus Baluchistan entlang des Iran und der pakistanischen Küste, die in die Al Dhahira Provinz von Oman auswanderten und dort eine stammesmäßige Einheit entsprechend dem Beispiel ihrer arabischen Nachbarn bildeten.

Ein anderes Beispiel ist der Stamm der Al Bu Shamis aus der al Buraymi-Region in den heutigen VAE, der sich erst in neuerer Zeit von seinem Elternstamm, den Al Nuaymi, losgesagt hat.

Es gibt auch die Desintegration eines Stammes. Ein Beispiel dafür sind die Bani Ryam aus der Gebirgsregion des Oman. Nachdem der Tamima des Stammes nach einem fehlgeschlagenen Putsch gegen den Sultan geflohen war, verloren die Bani Ryam (Einzahl: Al Ryami) ihre Bedeutung als einer der wichtigsten Stämme im Oman und zerfielen mangels eines starken Führers in ein Dutzend oder mehr Untergliederungen.

Änderungen können auch innerhalb eines Stammes eintreten. Unter der Führerschaft eines ganz besonders starken Scheichs vermag ein vergleichsweise kleiner oder schwacher Stamm mit wenig Kontrolle über seine Untereinheiten seine innere Organisation kräftig verstärkten und damit auch seinen Einfluss und sein Stammesgebiet (Dirah).

Umgekehrt kann einem Stamm durch eine schwache Führung ein Schaden erwachsen aus einem geringeren Status und vielleicht auch einen geschrumpften Territorium im Verhältnis zu den Nachbarstämmen. Dann muss sich der schwache Führer auch darauf einstellen, dass er durch einen engen Verwandten ersetzt wird.

Alternativ kann es auch sein, dass die Stammesführerschaft von einem rivalisierenden Clan übernommen wird.

Bedu und Hadar

Von großer Bedeutung bei der Transformation des östlichen Arabiens war die Dichotomie zwischen „bedu“ und „hadar“ und die graduelle Stärkung des Gewichtes der Letzteren.

Der Begriff "bedu" hat die assoziierte Bedeutung von beduinisch, nomadisch, ländlich, aus der Wüste kommend, während der Begriff „hadar“ eine zivilisierte Region, niedergelassene Bevölkerung, oder Stadtbevölkerung bezeichnet. Im östlichen Arabien war die Hadar-Kultur ursprünglich eher im Oman konzentriert, während die Gebräuche der Gesellschaft am übrigen Golf eher von der „Bedu-Tradition“ herrührten.

Obwohl ein Stamm entweder sesshaft (hadar) oder nomadisch (bedu) sein kann, besitzen die sesshaften Stämme eher eine strenge zentrale Organisation, wohingegen die nomadischen Stämme üblicherweise in unabhängige Familieneinheiten aufgeteilt sind.

Über die ganze Geschichte des Nahen Ostens hinweg bestand zwischen den „bedu“ und „hadar“ eine instabile Beziehung, die gleichermaßen von gegenseitiger Notwendigkeit und gegenseitigem Misstrauen charakterisiert war, wobei jeder den anderen brauchte und gleichzeitig Superiorität über den andern beanspruchte.

Während die städtischen Gebiete einerseits weitgehend außerhalb der Sphäre der Stämme waren, so verband sie andererseits doch mit diesen ein komplexes Beziehungsnetzwerk.

Die Stämme bildeten das Hinterland für den Handel, kontrollierten wichtige Routen, stellten für die Führer die bewaffneten Kräfte zur Verfügung und waren dadurch für die Städte auch eine ständige Bedrohung.

Die ersten Siedlungen wurden geschaffen von den relativ zusammenhängenden Stämmen, indem sie eine starke zentrale Führung entwickelten und von einer nomadischen bzw. semi-nomadischen Existenz zu einer festen Niederlassung wechselten.

Man kann wohl davon ausgehen, dass der Wechsel vom Nomadentum zur Sesshaftigkeit meist mit der Bestreitung des Lebensunterhaltes zu tun hatte, wobei der Übergang von Weidewirtschaft zu Landwirtschaft und Fischfang, oder auch die Perltaucherei sowie generell die Möglichkeit des Handels eine zentrale Rolle spielten.

In gewisser Weise reflektierten diese Änderungen ein altbekanntes Muster tribaler Wanderungen auf der arabischen Halbinsel insofern, als immer wieder Stämme gezwungen wurden, Sicherheit und Unabhängigkeit in neuen Gebieten zu suchen als Resultat des Drucks von anderen Stämmen.

Aus dem Akt der Auswahl eines permanenten geographischen Zentrums resultierte zunehmend auch die Identifikation zwischen dem Stamm und seiner Siedlung.

Gleichzeitig erforderte dieser Wechsel von der „Bedu-Kultur“ zur „Hadar-Kultur“ die Herausbildung einer stärkeren politischen Autorität. In diesem Kontext wandelte sich auch das ursprüngliche Konzept der Zeremonie der „Mubaia“, also der Huldigung und der Ausdruck der Ehrerbietung sowie die Akzeptanz und Anerkennung des starken Bündnisses mit dem Stammesführer, hin zu einer Zuerkennung von Legitimität im modernen staatsrechtlichen Sinne.

Dies war gleichzeitig auch ein Schritt in der Entwicklung der Führungsstruktur von einem Stammesscheich zu einem Beschützer des Territoriums, also zu einem „Hakim“ oder „Emir“.

Gleichzeitig etablierten sich in diesen Siedlungen aristokratische Familien, die schließlich in den späteren Emiraten die herrschenden Familien („Ruling Families“) stellten.

Gleichzeitig begannen die wichtigen Scheichs zunehmend Verantwortung für alle Mitglieder ihres Stammes zu übernehmen, selbst in den Stämmen, in denen einige der Stammesangehörigen geografisch vom Rest des Stammes getrennt waren, sprich also ein Teil in festen Siedlungen, ein anderer Teil nomadisch lebte. Gleichzeitig versuchten sie ihre herrschende Stellung dadurch zu stärken, dass sie existierende Bündnisse unter Stämmen in permanente Konfigurationen umwandelten, eine Politik, die ganz besonders geschickt von den Scheichs von Abu Dhabi verfolgt wurde. Diese Scheichs stammen von der Al Bu Falah Sektion der Stammesförderation der Bani Yas, bzw. der führenden Familie innerhalb der Al Bu Falah, der Al Nahyan, ab, deren Hauptzentrum in der Liwa-Oase, also im westlichen Teil des Emirates von Abu Dhabi, liegt. Die Siedlungen der Liwa-Oase wurden lange friedlich zwischen den Stämmen innerhalb der Stammesförderation der Bani Yas und dem Stamm der Manasir (Einzahl: Al Mansuri) besiedelt. Östlich und um die Al Buraymi Oase herum wurde der Einfluss der Al Bu Falah aufrechterhalten durch enge Verbindungen mit dem Stamm der Dhawahir (Einzahl: Al Dhaheri). Ein dritter Pfeiler der Unterstützung für den Scheich von Abu Dhabi war ein Bündnis mit dem weit verbreiteten Stamm der Awamir (Einzahl: Al Amiri)

Schließlich eröffnete die Etablierung von Siedlungen an der Küste auch die Möglichkeit, mehr Kontakt mit der Außenwelt aufzunehmen, was den zusätzlichen Effekt hatte, dass neue Ideen ausgetauscht werden konnten und damit die alten traditionellen Bräuche und auch traditionellen Überzeugungen geschwächt wurden.

Von dieser generellen Entwicklung gab es jedoch nennenswerte Ausnahmen.

Eine davon ist die lange Seefahrttradition an den Küsten von Ras al Khaimeh, dem früheren Julfar unter Führung des Clans der Qawasim (Einzahl: Al Qasimi)

Ein weiteres Beispiel für andere Entwicklungen sind die landwirtschaftlichen Siedlungen im Norden der Insel Bahrain, die von den Ureinwohnern von Bahrain, den „Baharna“ betrieben wurden.Die Baharna sind eine Mischung von arabischen und persischen Ursprüngen, überwiegend schiitischen Glaubens.

Über die Jahre haben bestimmte Scheichs im östlichen Arabien noch zusätzlich an Macht und Prestige gewonnen, als sie von den Briten als „Trucial Scheichs“ anerkannt wurden. Schließlich nahmen sie den Titel des Führers („hakim“, „ruler“) an und bei der Unabhängigkeit schließlich teilweise den Titel des Emirs, womit sie die Attribute des Führers, des Kommandeurs und des Prinzen vereinten. Dieser Prozess kam jedoch naturgemäß nur einigen Stammesführern zugute, während viele der anderen Scheichs ihre Autorität eher schwinden sahen.

Staatsentwicklung am Golf

Wie bereits im geschichtlichen Überblick ausgeführt, ist die Staatsentwicklung in den östlichen Golfstaaten zu einem guten Teil den Aktivitäten Großbritanniens am Golf über die letzten 150 Jahre geschuldet.

Das dichte Netz von Waffenstillstandsvereinbarungen („Truce Agreements“), sollte neben der Sicherung der britischen Seeherrschaft nach den Vorstellungen der Briten auch manifestieren, dass die Scheichs in den einzelnen Siedlungen -also die „”Trucial Sheikhs”“ - politische Autorität über alle Einwohner dieser Siedlungen hatten. Mit anderen Worten, ihre Position kam immer mehr der eines „Hakims“ gleich und wurde nicht mehr nur als die eines traditionellen Stammesscheichs definiert. Aus dieser gewissen Anerkennung, die sie dadurch von den Briten erhielten, hatten die „”Trucial Sheikhs”“ innerhalb des Stammes allerdings zunächst keine unmittelbaren Vorteile und erhielten dadurch auch keine über ihre traditionelle Stellung hinausgehende Position. Innerhalb der einheimische Bevölkerung hing der Status eines „Trucial Sheikh“ nach wie vor davon ab, wie viel Macht er innehatte und wie geschickt er darin war, sich die Unterstützung des Stammes bzw. der wichtigen Familien-Clans in diesem Stamm zu sichern.

Dies änderte sich jedoch rasch im Laufe der Entwicklung, nämlich als die Briten, - denen es zunächst nur um ihre externen Interessen, primär der Sicherung ihrer Herrschaft zur See ging – nolens volens auch in die inneren Angelegenheiten der „Trucial States“ involviert wurden. Dabei wurden die „”Trucial Sheikhs”“ von den Briten verantwortlich gemacht für alle ihnen unterstellten Stammesgemeinschaften und dadurch wandelte sich ihre Stellung von einem „primus inter pares“ zu einem echten Herrscher.

Die Etablierung von britischem Schutz für diese Siedlungen gegen Ende des 19. Jhds. formalisierte nicht nur die britische Haltung gegenüber den “Trucial Sheikhs”, sondern verlieh auch gleichzeitig dem Konzept des Scheichtums einen staats- und völkerrechtlichen Status.

In diesem Stadium bedeutete der Begriff Scheichtum eine embryonale territoriale Einheit, die sich geographisch um eine Siedlung zentrierte und die unter der politischen Kontrolle eines herrschenden Stammesscheichs stand, der ein bestimmtes Maß an Verantwortung für die Region (dirah) der mit ihm verbündeten Stämme hatten.

Die damit einhergehende territoriale Souveränität verstärkte wiederum die Legitimität des „”Trucial Sheikhs”“ und seiner Familie. War er früher schlicht der mächtigste Stammesscheich in seiner unmittelbaren Umgebung, so erwarb er schließlich umfassende politische Autorität über alle Stämme und auch über die übrige Einwohnerschaft in seinem Scheichtum.

Dabei gab es durchaus unterschiedliche Auffassungen in der Frage, welche Siedlungen, speziell entlang der „Trucial Coast“, überhaupt ein Scheichtum darstellten. Die Stadt von Kalbah im heutigen Abu Dhabi zum Beispiel wurde von 1936-1951 als ein eigenes „Trucial Scheichtum“ betrachtet, während etwa Ras Al Khaimeh und Al Fujeirah, zwei der sieben Scheichtümer der späteren VAE, diesen Status erst 1951 bzw. 1952 erlangten.

Der endgültige Durchbruch, Scheichtümer als Staaten zu entwickeln, kam mit der Entdeckung des Erdöls und der damit verbundenen Notwendigkeit, feste Grenzen zu markieren.

In den frühen dreißiger Jahren wurden die ersten Öl-Konzessionen für Bahrain und Katar vergeben und kurz darauf wurde für verschiedene Scheichtümer entlang der „Trucial Coast“ Explorationsverträge gewährt.

Alle diese und nachfolgenden Verträge wurden -unter den wachsamen Augen der britischen Regierung- verhandelt zwischen den verschiedenen Unternehmen auf der einen Seite und den „”Trucial Sheikhs”“ auf der anderen Seite.

Bei der Verhandlung und Vergabe von Konzessionen durch die Herrscher ging man von der Annahme aus, dass die „”Trucial Sheikhs”“ Souveränität hatten über das ganze Territorium zwischen der Golfküste und den Grenzen des Sultanats von Maskat und Oman, obwohl die Grenzen einzelner Scheichtümer noch nicht endgültig definiert waren.

Die Unklarheiten, was Grenzfragen angeht, würden zweifellos noch bis heute anhalten, hätten nicht potentielle Ölreserven in den einzelnen zu explorierenden Regionen es erforderlich gemacht, die Grenzen genau zu bestimmen.

Ein weithin bekanntes Beispiel für die Schwierigkeiten ,die dabei auftraten, war in den fünziger Jahren der Grenzstreit zwischen Saudi-Arabien und Abu Dhabi um den nordwestlichen Teil der Ruba Al Khali-Wüste, wo man umfangreiche Ölfelder vermutete. Diese Ölfelder entfachten das Begehren Saudi-Arabiens, seine Kontrolle über Teile der Al Buraimi Oase zu festigen, was zu Konflikten mit den Scheichtümern von Abu Dhabi und dem Sultanat von Oman führte und außerdem zu Konflikten einiger amerikanischer Individuen gegen britische Individuen. Nachdem ein Schiedsgerichtsverfahren in Genf ergebnislos abgebrochen wurde, vertrieben schliesslich im Jahre 1955 die von britischen Offizieren befehligten „Trucial Oman Scouts“ die Saudis aus Al Buraymi . Damit wurde zwar eine de facto Lösung dieser Grenzfrage erreicht, aber erst im Jahre 1974 konnten sich Saudi Arabien und Abu Dhabi über ihre gemeinsame Grenze einigen. Obwohl also einige territoriale Fragen geklärt wurden, bleiben andere noch bis heute bestehen. Saudi Arabien und Oman haben heute noch unterschiedliche Auffassungen zum Grenzverlauf, wobei dort die Gebirgsregion eine genaue Fixierung von Grenzen noch zusätzlich erschwert. Trotz des Dilemmas über Grenzen setzten die Ölgesellschaften ihre Bohrungen fort und förderten schließlich in den meisten der Scheichtümer Erdöl.

Der Wohlstand, der mit neuen Ressourcen kam, versetzte die glücklichen Herrscher der so gesegneten Scheichtümer in die Lage, aus dem Vollen zu schöpfen. Sie konnten damit auch ihre Position im Inneren konsolidieren, wie auch ihr Prestige auf Kosten der Herrscher vermehren, in deren Scheichtum kein Öl gefunden wurde. Selbst vor den aktuellen Ölfunden und den dadurch fließenden Einnahmen versetzten schon vorher die sehr moderaten Gebühren für die Gewährung einer Bohrkonzession die Herrscher in die Lage, die traditionelle Praxis der Freigebigkeit auf einem höheren Niveau weiter zu betreiben, um ihr Prestige und ihre Reputation unter den Stammesmitgliedern zu mehren.

Als dann die Einnahmen aus den Ölexporten zu fließen begannen, setzten die meisten Herrscher zu einem ehrgeizigen Programm der sozioökonomischen Entwicklung an. Zum ersten Mal wurden Grundleistungen wie Straßenbau, Häuserbau, Erziehungswesen und Gesundheitswesen angegangen, was dem Scheich den Respekt der Bevölkerung sicherte und gleichzeitig der Institution des Stammesführers neue Funktionen gab. Der neu gewonnene Reichtum veränderte damit das, was anfangs noch ein rudimentäres Regierungswesen auf einem relativ personalisierten Niveau war, zu einem sehr viel komplexeren Gebilde. Funktionale Regierungsinstitutionen wurden etabliert, Gebäude errichtet, ausländische Experten wurden angeheuert um zu administrieren, zu beraten, lokales Personal auszubilden und schließlich eine Staatsbürokratie aufzubauen.

Als Resultat dafür, dass sie die Gelegenheit zum Wandel und zur Entwicklung wahrgenommen hatten, erreichten die Golfstaaten, nachdem Britannien seinen Abzug aus der Region bereits im Jahre 1968 angekündigt hatte, ihre völlige Unabhängigkeit im Jahre 1971 ohne Instabilität zu gewärtigen, wie es einige befürchtet hatten.

Sowohl Bahrain als auch Katar wurden Vollmitglieder der Arabischen Liga und der Vereinten Nationen, ganz abgesehen davon, dass sie die völlige Verantwortung für Verteidigungsangelegenheiten und die Außenpolitik übernahmen.

Abgesehen von der Neuartigkeit der VAE als ein Experiment der Machtteilung zwischen verschiedenen Emiraten auf der arabischen Halbinsel hat die Verfassung auch in bemerkenswerter Weise die durch die Ölfunde bewirkten Modifikationen zwischen den Führern der verschiedenen Scheichtümer formalisiert und klar zum Ausdruck gebracht:

Während früher die Qawasim der nördlichen Siedlungen die größte Macht hatten, bevorzugten die Vereinbarungen von 1971 eindeutig die Al Nahyan von Abu Dhabi und die Al Maktum von Dubai insofern, als dass die beiden Familien die Präsidentschaft, die Vizepräsidentschaft sowie die meisten wichtigen Positionen im Kabinett der neuen Föderation für sich beanspruchen konnten. Der Scheich von Ras Al Khaimah verweigerte sich denn auch zunächst der neuen Föderation, musste dann aber doch nach drei Monaten klein beigeben, nachdem sich die Hoffnungen, auf seinem Territorium doch noch einen wichtigen Ölfund zu machen, nicht realisierten.

Die Staatsformation der VAE beförderte auch die wichtige Erkenntnis, dass die individuellen Herrscher in ihren Mini-Staaten ihre separaten Wege nicht unbegrenzt weiter verfolgen konnten, sondern innerhalb der größeren politischen Einheit der VAE operieren mussten.

Die Veränderungen in der Stammesgesellschaft

Im Zuge der Entwicklung moderner politischer Einheiten und des Prozesses der sozioökonomischen Transformation war das Stammeswesen als politische, soziale und wirtschaftliche Kraft in den Gesellschaften des östlichen Arabiens naturgemäß starken Veränderungen unterworfen. Dieser Prozess der Transformation konzentrierte sich zunächst nur auf die Konsolidierung bestehender und dann zunehmend auf die Formalisierung von neuen Institutionen.

In der Vergangenheit waren Methoden der Sicherung des Lebensunterhalts und bestimmte Tätigkeiten eng verbunden mit dem Stamm wie auch mit der Gegend, wo sich der Stamm aufhielt. Diese Muster wurden geregelt durch einen saisonalen Kreislauf, wie ihm halb-nomadische Stämme des Golfes folgten. Die Weidewirtschaft des Winter und das Leben in den Oasen wurden im Sommer hinter sich gelassen und die Stammesangehörigen zogen zur Küste, um als Fischer oder als Perlentaucher zu arbeiten.

Mit dem Aufkommen der Ölfirmen in ihren Gebieten wurde dieser Zyklus insofern kompromittiert, als nun aus den Stammesangehörigen Zeitarbeiter, Lastwagenfahrer oder Wächter wurden. Diese neuen Beschäftigungsmöglichkeiten wurden von den Stammesangehörigen nicht unbedingt als sehr unterschiedlich von ihren anderen früheren Beschäftigungen angesehen, zumal sie natürlich sehr viel lukrativer waren.

Selbst später, als Explorationszahlungen an die „”Trucial Sheikhs”“ diesen eine moderate Erhöhung der Beschäftigung ihrer Stammesangehörigen erlaubten, blieben die Stammesleute selten länger als drei Monate in den Städten und investierten ihr zusätzlich verdientes Geld nunmehr in den Kauf eines Taxis statt wie früher in Dattelpalmen.

Die rasche Ausbreitung von Siedlungen und städtischen Zentren in westlichem Stil brachte mehr und mehr Gelegenheiten für dauerhafte Beschäftigungen mit sich. Dies bewirkte schließlich auch Änderungen im Wertesystem und veranlasste viele Stammesangehörige sesshaft zu werden. Denn das brachte viele Vorteile, etwa bessere Bildungsmöglichkeiten für ihre Kinder sowie die Wohltaten moderner Gesundheitsvorsorge.

Der neue Ölreichtum rieselte in gewisser Weise auf alle Segmente der einheimischen Bevölkerung herunter, insbesondere durch Bereitstellung von Land durch die Regierungen, sowie kostenlose Erziehung und günstige Wohnmöglichkeiten.

Resultat war – so ergaben Studien insbesondere in Saudi-Arabien - ein Exodus den Stammesangehörigen von den Oasen im Inneren zu den Siedlungen an der Küste und die Ersetzung des Stammes durch die Familie als die primäre soziale Einheit. Durch diese Studien wurde auch festgestellt, dass der Zuzug von ausländischen Arbeitskräften und das Anwachsen arabischer und nicht-arabischer Expatriate-Gemeinschaften sogar zu einer gewissen Abschwächung der familiären Bande geführt hat, was sich bei einer wachsenden Autonomie und wachsender Bedeutung einzelner individueller Familien (bestehend aus einem verheirateten Paar und ihren Kindern) auf Kosten ausgedehnter patriarchalischer Familien (bestehend aus einem männlichen Familienoberhaupt und verschiedenen Kindern und Kindeskindern, Cousins ersten und zweiten Grades usw.) zeigt. Dieser Änderungsprozess brachte es auch mit sich, dass Entscheidungsprozesse von den Stammesältesten auf das männliche Oberhaupt der Einzelfamilie verlagert werden und führt gleichzeitig zu einer Schwächung patriarchaler Bindungen durch die Einführung eines gewissen Grades von Individualismus und Privatheit, wie sie frühere Generationen nicht genossen.

Stamm und moderner Staat

Auf der arabischen Halbinsel hat die Modernisierung staatlicher Institutionen in entscheidendem Maße mit dem Sprudeln der Ölquellen begonnen. Die Zentralregierungen nutzten jetzt ihre Einnahmen, um sich in einem weit höheren Maße stark zu machen, als es die Stämme je waren. Regierungsstellen wurden geschaffen für Funktionen, die früher von den Stammesführern wahrgenommen wurden. Gerichte wurden errichtet und Gesetze wurden erlassen, die die Rolle des, die kollektive Verantwortung betonenden, Stammesrechts (urf) zurückdrängten. In den meisten Golfstaaten bestand anfangs die Ausweitung des Staatsapparates zunächst in dem Aufbau von Abteilungen und Beratern, die direkt dem Herrscher zugeordnet waren, später wurden verfassungsmäßige Institutionen aufgebaut, wie etwa einen Ministerrat oder in den meisten Staaten der Region auch eine beratende Versammlung. Ganz langsam verminderte sich der Einfluß der Scheichs, die nicht „Trucial Sheikhs“ waren. Ihre traditionelle Rolle als Vermittler zwischen dem Herrscher und den Mitgliedern des jeweiligen Stammes, denen der Scheich vorstand, wurde ersetzt durch die Einrichtung von Regierungsstellen, die direkten Kontakt mit der Bevölkerung haben wie etwa Gerichte, Stadtverwaltungen, Krankenhäuser, Schulen sowie Programmen für Straßenbau und landwirtschaftliche Entwicklung.

Dennoch bedeutet die Tatsache, dass die Regierungen auf der arabischen Halbinsel jetzt viel stärker und reicher sind im Verhältnis zu den Stämmen der Vergangenheit, und dass auch die Moderne die herkömmlichen Stammesstrukturen modifiziert hat, keineswegs, dass die Stämme nicht länger wichtig sind für die, die zu ihnen gehören.

Stämme versorgen ihre Mitglieder nach wie vor zunächst einmal mit einer Menge Kontakten, Kontakten, denen diese mehr trauen als gegenüber Nichtmitgliedern, gerade wie dies auch etwa bei Mitgliedern von Kirchen oder bestimmten Vereinigungen im Westen der Fall ist.

Stammesverbindungen können ihren Mitgliedern auch dabei helfen, Jobs zu finden und Erziehungsmöglichkeiten zu erhalten. Wie Abgeordnete oder Senatoren in den Vereinigten Staaten stellen Stammesscheichs „constituent contacts“ her, wie zum Beispiel Hilfestellung für die normalen Stammesmitglieder bei Regierungskontakten und bürokratischen Verfahren. So wie die Bevölkerungen in den einzelnen Staaten zugenommen haben, wurde auch die Bürokratie komplexer und wuchs die Notwendigkeit nach staatlichen Leistungen. So berichten Stammesmitglieder, dass die Rolle von Scheichs bei der Hilfestellung gegenüber staatlichen Organen in den letzten Jahren sogar wichtiger geworden ist. Die Beziehungen der verschiedenen Stämme mit den jeweiligen Regierungen ihrer Länder sind naturgemäß unterschiedlich. Manche Regierungen auf der arabischen Halbinsel tendieren dazu, das Personal von den Stämmen zu rekrutieren, die sie als besonders loyal erachten. Im Oman etwa sind es, zumindest scheint es so, die ibadischen Stämme, die Sultan Qabus am loyalsten unterstützen. In Saudi Arabien sind etwa die Stämme aus dem Najd, dem Stammesgebiet der Königsfamilie der Al Sa'ud, deren loyalste Anhänger. Ein Mitglied eines dieser Stämme zu sein, die besonders nahe mit der „Ruling Family verbunden sind (auch durch Heiratspolitik verbunden), kann wichtige wirtschaftliche Vorteile bringen. Aber es kann auch Vorteile bringen, Mitglied eines weniger favorisierten Stammes in einem dieser Länder zu sein. Da gute Beschäftigungsmöglichkeiten oft schwierig zu erlangen sind, kann es wichtig sein, selbst in einem wenig favorisierten Stamm gut vernetzt zu sein. Und da die Zentralregierungen normalerweise keine schlechten Beziehungen mit den weniger begünstigten Stämmen haben wollen, mag es wichtig sein, dass man die Möglichkeit hat, sich an einen Stammesscheich zu wenden, der einem hilft, Dienstleistungen seitens der Regierung zu erhalten oder in einem Streit in der Regierung zu schlichten.

Stammesmäßige Komponenten der modernen Staatsentwicklung

Im Prozess der Transformation der traditionellen tribalistischen Staaten zu Nationalstaaten, oder in einigen Fällen besser gesagt zu Stadt-Staaten, blieben dennoch bisher erstaunlich viele Anlehnungen und Rückkoppelungen an die Vergangenheit erhalten.

Denn dieser Transformationsprozess verläuft, so schnell und abrupt er auf manchen Gebieten erscheint, im Kern evolutionär. In formalen Begriffen sind die Territorialstaaten moderne Gebilde, aber ihre Wurzeln sind alt und die Legitimität ihrer Herrscherfamilien basiert auf traditionellen Beziehungen.

Moderne Strukturen wurden vielfach traditionellen Methoden aufgestülpt. Die Art und Weise, "wie die Dinge wirklich laufen" unterscheidet sich in vielen Fällen nicht von der traditionellen Praxis. Obwohl vielleicht der profundeste Einfluss des Tribalismus auf die modernen Staaten der war, dass die herrschenden Familien aus Stammesführern hervorgingen, gab es noch andere wichtige Auswirkungen. Eine ganze Reihe von essenziellen Konzepten, die in das Regierungssystem im östlichen Arabien eingeflossen, gründen sich unmittelbar auf Stammesbräuche. Unter diesen Konzepten ist das des „Majlis“, wo der individuellen Bürger unmittelbar Zugang zu dem Ruler/Scheich und damit die Gelegenheit hat, seine Belange vorzubringen. Dies entspricht auch dem geschichtlichen Selbstporträt und selbstgepflegten Image der Golfländer, wonach deren Herrscher entsprechend den historisch etablierten kulturell vorherrschenden Strukturen der Konsensbildung regierten und jeder Bürger Zugang zu dem Majlis des Herrschers hatte.

Diese Beschreibung eines jedem offen stehenden Majlis mag ziemlich romantisch sein, denn sicherlich waren die Herrscher gegenüber sozialen, ethnischen, konfessionellen und Stammesgruppen durchaus selektiv und war der Zugang zu den Herrschern für die verschiedenen Gruppen innerhalb der Gesellschaften am arabischen Golf sehr unterschiedlich. Vereinfacht gesagt suchten die Scheichs und die Prinzen die Konsultation vornehmlich mit drei Gruppen innerhalb der Gesellschaft: Kaufleuten, Notablen aus den verbündeten Stämmen und religiösen Autoritäten. Dieses Muster gilt auch heute noch in modifizierter Form, wobei die traditionellen Kaufmannsfamilien um neue, allerdings überwiegend aus ihnen hervorgegangene Wirtschaftseliten ergänzt werden.

Wichtig ist jedoch fest zuhalten, dass die Institution des „Majlis“ (in Kuwait: „Diwaniya“) heute in allen Golfstaaten noch eine wichtige Rolle im politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben spielt. Nicht nur der Herrscher, sei er nun Emir, Scheich, Sultan oder Kronprinz, sondern nahezu jedes wichtige Mitglied der „Ruling Family“ hat seinen regelmäßigen, normalerweise wöchentlichen „Majlis“, sondern auch andere wichtige Vertreter der Staatsmacht wie auch die Vertreter großer Kaufmannsfamilien und natürlich auch immer noch die traditionellen Stammesscheichs. Ausländische Expatriats jedenfalls, die regelmäßigen Zugang zu so einem „Majlis“ haben, sind schon ein ganzes Stück auf dem „Königsweg“ ins Gastland und zu erfolgreichen, in der arabischen Welt ganz wesentlich auf guten persönlichen Beziehungen beruhenden Geschäftsbeziehungen vorangekommen.

Eine andere Erscheinungsform ist die „Shura“, der Prozess der Beratung mit den Notablen des Stammes oder der Gemeinschaft, ein Konzept, das in den meisten Regierungssystemen in der Region in der Form von konsultativen oder legislativen Versammlungen inkorporiert wurde. Die Übernahme dieser traditionellen Praktiken in die Regierungssysteme der Region hat bei der einheimischen Bevölkerung unter anderem auch ein Gefühl der Kontinuität inmitten profunder Wechsel und in einem Staatswesen vermittelt, in dem wie in Katar oder den VAE die Staatsangehörigen nur etwa 5-10% der Gesamtbevölkerung ausmachen.

Die Institution des „Majlis“, in der man sich an den Herrscher oder ein Mitglied der „Ruling Family“ etwa mit der Bitte um Unterstützung wenden kann und die Institution der „Shura“ als beratendes Gremium impliziert andererseits, dass die politische Position des Herrschers, der letzlich die Entscheidungen fällt, sei er „König“ in Bahrain oder Saudi-Arabien, „Emir“ in Katar oder Kuwait, „Sultan“ in Oman oder „Sheikh“ in den einzelnen Emiraten der VAE , einschließlich des engsten Kreises der „Ruling Family“, außerordentlich stark und mehr oder weniger unangefochten ist.

Die herrschenden Dynastien der Golfstaaten dominieren zu einem außerordentlichen Ausmaß das politische System des Staates. Die herrschende Familie stellt sowohl den Herrscher wie auch den Kronprinzen, der möglicherweise auch als Vize-Herrscher agiert. Die Herrscher agieren entweder als Staatsoberhaupt und/oder Regierungsoberhaupt. Und in allen GCC-Staaten haben Mitglieder der „Ruling Family“ die wichtigsten Regierungsposten inne und sind auch in anderen Bereichen des politischen und gesellschaftlichen Gemeinwesens wie auch in der Wirtschaft repräsentiert. Entscheidungen werden nicht unbedingt nur im Kabinett getroffen, sondern gewöhnlich eher in einem Kreis von Vertrauten und Beratern des Herrschers. In allen Fällen ist das Kabinett dem Herrscher gegenüber verantwortlich und rechenschaftspflichtig. Folglich sind Minister oft nicht unbedingt Entscheidungsträger, sondern eher ausführende höhere Angestellte.

Manche Politologen sprechen hierbei von dem Konzept des „urbanen Tribalismus“ und führen dazu aus, dass Legitimität, Autorität und bewährte Zuordnung innerhalb des politischen Systems bei einer mächtigen herrschenden Familie aufgehoben sind, die den Regierungsprozess betrachtet als eine Synthese zwischen einer altbewährten stammesmäßigen Tradition und einer funktional limitierten Form von öffentlicher Verwaltung. Neben ihrer politischen Suprematie erfreuen sich die Herrscherfamilien auch eines hohen Status infolge ihres Reichtums, ihrer Erziehung und ihrer weltweiten politischen und kommerziellen Verbindungen.

Die Herrscherfamilie wird ergänzt von einer zweiten Elitegruppe, nämlich die, die von den Scheichs der verschiedenen Clans bzw. von anderen wichtigen Stämmen im Staate gestellt werden. Das Bündnis dieser Gruppe mit dem Staat und dem Herrscher wurde gesichert durch Subventionen, die der Herrscher zur Verfügung stellt, durch Einheirat in die Herrscherfamilie und die Vergabe von Regierungsposten, etwa als Minister oder Botschafter. In verschiedenen Staaten erhielten Repräsentanten der wichtigen Stämme und Kaufmannsfamilien Sitze in der beratenden Versammlung. Viele dieser Clans haben, wie später noch ausgeführt wird, auch schnell die Fortschritte der wirtschaftlichen Entwicklung erkannt und kommerzielle Aktivitäten, insbesondere durch die Vertretung ausländischer Unternehmen und Marken, begonnen.

Zusammenfassend kann man zur Staatsentwicklung in den Golfstaaten feststellen, dass die herrschenden Familien weiterhin eine wichtige zentrale politische Rolle spielen. Die Position der Herrscherfamilien wird ohne Zweifel auch für die kommende Zeit noch wichtig bleiben, insbesondere weil sie einen bedeutenden Verbindungsrahmen während der Entwicklung der Stammesgesellschaften zu modernen Staaten darstellen. Dabei mag es sein, dass in der weiteren Entwicklung ihre stammesmäßige Orientierung zurückgeht, aber dass sie ganz verschwindet, ist eher unwahrscheinlich.

Stamm und moderne Gesellschaft

Es sind jedoch nicht nur reich und mächtig gewordene Zentralregierungen, die es fertig brachten, das traditionelle Stammeswesen zu transformieren. Denn auch im gesellschaftlichen Bereich wird die frühere traditionelle Stammesgesellschaft rapide verändert. Vielleicht noch gründlicher als alles andere hat schlicht die Modernisierung den größten Teil dazu beigetragen.

Während nostalgische Reiseschriftsteller oder Filmemacher lamentierten, dass die Zeiten des harten Lebensstils der vormodernen Stammesmenschen vorbei ist, haben die Stammesmenschen selbst dieses harte Leben für moderne Häuser, Arbeit in fest bezahlten Jobs, Erziehung ihrer Kinder und Shopping-Malls ausgetauscht. Sie wollen eine gute Ausbildung geniessen, sie wollen Karriere nicht nur innerhalb vorgegebener Stammesstrukturen machen, sondern in modernen gesellschaftlichen Strukturen. Dieser Prozess ist am meisten fortgeschritten in den vier Stadtstaaten der Halbinsel Kuwait, Bahrain, Katar und die VAE und er ist auch schon relativ weit fortgeschritten in Saudi Arabien und Oman.

Dabei führt sicherlich auch die zunehmende Anzahl von Stammesangehörigen, die im Westen ausgebildet und dort Erfahrungen gesammelt haben, zu strukturellen Änderungen. Viele Stämme ähneln zunehmend Vereinigungen westlichen Stils, mit Treffen der Führungseinheiten und Untereinheiten in Hotelhallen und ähnlichen Lokalitäten. Während früher die weithin ungebildeten einfachen Stammesmitglieder vom Urteil ihres väterlichen Scheichs abhingen, müssen heutzutage die Scheichs zunehmend neue Fähigkeiten und Fertigkeiten entwickeln, um mit ihren gut ausgebildeten Stammesmitgliedern mithalten zu können, mit ihnen arbeiten zu können, sie motivieren zu können und auch ihre Loyalität erhalten zu können.

Dennoch bleiben traditionelle Hierarchien bestehen. Trotz der drastischen wirtschaftlichen Änderungen erhalten sich viele Aspekte der traditionellen stammesmäßigen Organisationen, wie etwa die Bedeutung der männlichen Abstammungslinie. Wichtig ist nach wie vor die Familiensolidarität, verstärkt durch die stammesmäßige Linie sowie, daraus abgeleitet, ein Sippschaftssystem, welches kollektive Rechte und Pflichten beinhaltet und in dem Scham und Ehre sowie die Regeln der Gastfreundschaft immer noch einen überragenden Stellenwert besitzen. Trotz einer gegenüber früheren Zeiten inzwischen bestehenden beträchtlichen Unabhängigkeit, bleiben Mitglieder ausgedehnter Familien und Stämme verbunden durch Bande wechselseitiger Verpflichtungen und Unterstützung, die oft auch in politische Allianzen und wirtschaftliche Unternehmungen übersetzt werden.

Die Wirtschaftsentwicklung in den Golfstaaten

Als die britische Hegemonie am Golf in den Jahren von 1930 bis 1970 einen allmählichen Niedergang erlebte, konnten die Scheichtümer am Golf mit ihren alten kolonialen Herren einen unabhängigen Status verhandeln bzw. mussten ihn, nachdem Großbritannien seinen Rückzug aus seinen früheren Kolonial- und Protektoratsgebieten ankündigte, „nolens volens“ anstreben. Großbritannien erkannte die Unabhängigkeit des Sultanats von Maskat und Oman im Jahre 1951 an, gefolgt von Kuwait im Jahre 1961 und den übrigen Golfstaaten Bahrain, Katar und im Jahre 1971 die so genannten sieben „Trucial States“, die späteren VAE.

Saudi Arabien, eine unwirtliche und abgelegene Region, hatte schon zu Kolonialzeiten eine relative Unabhängigkeit von britischer Kontrolle erreicht. Mit der Einigung der Königreiche von Najd und Hijaz im Jahre 1932 war das Land in seiner modernen Form geboren.

Bemerkenswerterweise gingen diese vier Dekaden der Entwicklung in der Region auch mit der Entdeckung von Öl in der Region einher und dabei gleichzeitig auch mit der wachsenden Bedeutung dieses Rohstoffs für die Weltwirtschaft.

Verschiedenen Unternehmen aus den USA, Großbritannien und Frankreich waren ab dem Jahre 1923 Ölkonzessionen erteilt worden, aber es dauerte bis 1931, bevor das erste Öl in Bahrain entdeckt wurde.

Wirkliche Produktion begann am Golf erst unmittelbar nach dem zweiten Weltkrieg in Saudi Arabien, Kuwait, Katar und Bahrain und Anfang der sechziger Jahre in den Vereinigten Arabischen Emiraten, sowie im Oman. Die Wichtigkeit des Erdöls für die Weltwirtschaft führte dazu, dass der Prozess der Staatsbildung und auch der gesellschaftlichen Entwicklung eng einhergingen mit den Rivalitäten zwischen den USA und Großbritannien am Golf, wie auch mit deren gemeinsamem Interesse daran, dass es nicht, wie in einigen anderen Ländern der Region, zu einer Kontrolle nationalistischer, antiwestlich eingestellter Regime über die Ölreserven kommen konnte.

Ursprünglich verhinderte Großbritanniens starker Einfluss in Kuwait, Bahrain, Oman und den „Trucial States“ jede Form starker Allianzen mit den USA entlang der Golfküste.

Stattdessen verlief der Eintritt der USA in den Golf durch Saudi Arabien, das während der dreißiger und vierziger Jahre des 20. Jahrhunderts sehr stark auf externe Hilfe angewiesen war, nachdem infolge der großen Wirtschaftsdepression und des Ausbruchs des Zweiten Weltkrieges der religiöse Tourismus zusammengebrochen war.

Doch nicht nur Saudi Arabien war in einer Wirtschaftskrise. Der Zusammenbruch der sehr profitablen Perlenindustrie während der zwanziger Jahre - verursacht durch das Aufkommen der künstlichen Perlenzucht in Japan- bewirkten eine Serie interner Verwerfungen innerhalb der Scheichtümer der Golfregion.

Dies manifestierte sich in verschiedenen Formen:

In Katar zum Beispiel verließen manche Kaufleute das Land und versuchten anderwärts am Golf neue Chancen aufzutun.

In anderen Gegenden forderten soziale Kräfte eine größere Teilhabe und Zugang zu den Einnahmen des Herrschers.

Diese vorexistierenden inneren Disparitäten - Kaufleute gegen Herrscher (hauptsächlich Dubai, Kuwait, Bahrain), Kämpfe innerhalb der herrschenden Familie (Kuwait und Katar) und vernachlässigte unterprivilegierte Schiiten gegen herrschende Sunniten (Kuwait und Bahrain) - sind der soziale Hintergrund, vor dem man den plötzlichen Zufluss von Reichtum interpretieren muss, der aus der Entdeckung und der Produktion von Öl herrührte.

Ursprünglich wurde die Förderung und Weiterverarbeitung von Öl weitgehend kontrolliert von ausländischen multinationalen Gesellschaften, die dafür Gebühren an den Herrscher abführten. Die Gewinnrate für ausländische Ölgesellschaften, die am Golf operierten, war riesig. Das amerikanische Unternehmen Adam Co. zum Beispiel erzielte einen durchschnittlichen Nettogewinn von 50% auf das in den Jahren 1952-1963 in Saudi-Arabien investierte Kapital, weit mehr als die 10-12 %, die es in seinen Operationen in den USA selbst erzielen konnte.

Aber trotz der großen Profite, die an die ausländischen Ölgesellschaften gingen, konnten auch die herrschenden Familien am Golf einen dramatischen Anwuchs ihres persönlichen Vermögens verbuchen. So konnten die Herrscher einen Teil dieses Zuflusses an die verschiedenen Fraktionen innerhalb der herrschenden Familie, an alliierte Stämme, die Kaufmannschaft und andere soziale Gruppen verteilen.

Großbritannien (und die Vereinigten Staaten in Saudi Arabien), überwachten diesen Prozess, und stellten, soweit es ihren Interessen diente, den militärischen Schutz für jeden Führer zur Verfügung, der von wechselnden Allianzen innerhalb der herrschenden Familie oder Stämme bedroht war.

In allen Ölländern kam es zu einem erheblichen Zufluss von Zeitarbeitern, die ebenso mit einer extrem restriktiven Definition von Staatsbürgerschaft einherging. Am ganzen Golf wurde die Staatsbürgerschaft begrenzt auf eine sehr dünne Minorität in der Bevölkerung, die in abgestuften Graden in den Genuss von Wohltaten aus den Öleinnahmen kam. Diese Wohltaten rangierten von billigem Wohnraum, Erziehung und anderen staatlichen Wohltaten für den normalen Bürger bis zu massiven wirtschaftlichen Wohltaten, Verträgen und anderen wirtschaftlichen Leistungen für Mitglieder der herrschenden Elite und der wohlhabenden Kaufmannsfamilien. Die einheimische Bevölkerung kletterte die Leiter hinauf, indem sie Arbeit in höherwertigen Managementpositionen oder dem Regierungssektor übernahm. Die Umleitung eines Teils der Öleinnahmen an führende Kaufmannsfamilien und andere Eliten bildete die Grundlage, auf der sich ein einheimischer privater Wirtschaftssektor entwickeln konnte.

Die Formierung der Privatwirtschaft am Golf in den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts im Schatten des Öl-Booms eilhabe am Ölreichtum

Die Privatwirtschaft begann sich zu formen durch eine Reihe von Mechanismen, die in allen Golfstaaten bemerkenswert gleich waren.

Dieser Prozess basierte im wesentlichen auf der Umlenkung von Staatseinnahmen, die sich aufhäuften, als die ölproduzierenden Länder in den siebziger Jahren größere Kontrolle über ihre Öllieferungen erhalten konnten. Im Gefolge dieser Nationalisierung wurden die enormen Öleinnahmen der Schlüssel für den Staat und die Autorität des Herrschers.

Der private Wirtschaftssektor war zwar von jeglicher Involvierung an der Ölproduktion ausgeschlossen, doch ein Teil der Öleinnahmen wurde vom Staat an die auf Familienbanden begründeten Gruppen umgeleitet, die meistens entweder zu den Stammes-Clans oder den traditionellen Kaufmannsfamilien gehörten oder mit dem Herrscher entweder durch Blutsbande oder Einheirat liiert waren.

Einige der Mechanismen waren im wesentlichen Geschenke seitens des Herrschers an die Stämme, an bestimmte Sektionen der früheren Kaufmannsschicht oder der neuen sozialen Elite, die mit der Ausweitung des Staatsapparats aufgekommen waren.

Zuteilung von Land

Ein ganz besonderes wichtiges Beispiel dafür war die Zuteilung von Land durch den Herrscher an favorisierte Gruppen oder Individuen.

Im Falle von Saudi Arabien zum Beispiel waren im Jahre 1925 traditionelle allgemeine Weiderechte abgeschafft worden und in die Hand des Königs gegeben worden. Der König, Ibn Saud, nützte diese Macht, um den Zugang zu Weiderechten und die Bewegungen der Stämme zu kontrollieren. In den sechziger Jahren gab der König Land und landwirtschaftliche Produkte wie Maschinen, Saatgut und Düngemittel an Stämme aus der Najd-Region, die das Rückgrat der saudi-arabischen Armee bildeten und deshalb ein wesentliches Element der sozialen Basis des Regimes darstellten.

Diese Politik änderte sich jedoch in den siebziger Jahren, als große Flächen von Land an Individuen und private Gesellschaften - meist Angehörige prominenter Familien aus der Najd-Region mit engen Banden zur Staatsbürokratie und die politischen Eliten - gegeben wurde. Gegen Ende der achtziger Jahre hatte die Regierung selbst praktisch keinen Landbesitz mehr.

In anderen Regionen des Golfes, wo Landwirtschaft eine geringere Rolle spielte, gaben die Herrscher Land an Mitglieder der herrschenden Familie und wichtige Kaufmannsfamilien, die im Laufe der Entwicklung vom Anstieg der Landpreise profitierten.

In Kuwait zum Beispiel kaufte die herrschende Al-Sabah Familie den Kaufleuten große Flächen von bebaubarem Land zu künstlich erhöhten Preisen ab und verkaufte sie dann wieder zu niedrigeren Preisen zurück. In den frühen sechziger Jahren waren Landpreise der größte Posten im Staatsbudget geworden, obwohl die Regierung nur etwa 5 % des Preises aus der Weggabe an diesem Land wieder zurückbekam. Ähnliche Muster von Landtransaktionen wurden auch in anderen Golfstaaten angewandt.

Staatsposten

Ein anderer wichtiger Mechanismus, durch den der Ölwohlstand an einen Teil der Gesellschaft umverteilt wurde, war die Ausdehnung des Staatsapparates. Beschäftigung im öffentlichen Sektor wurde als soziales Recht angesehen, welches half, die Staatsbürger an die sich neu entwickelnde Ordnung zu binden. Da sehr viele Staatsbürger privilegierten Zugang zur Beschäftigung beim Staat hatten, füllte sich dieser weit gehend mit unausgebildeten Beschäftigten. Die Schlüsselstellungen in Staatsapparat (Ministerien etc.) gingen an Mitglieder der herrschenden Familie, während die sie umringenden Bereiche an kompetente Kaufmannsfamilien und Stämme gingen, die mit dem Herrscher verbündet waren (zum Beispiel Positionen in der beratenden Versammlung und anderen Staatsgremien).

Für die sich entwickelnde wirtschaftliche Elite waren hohe Positionen im Staatsapparat ein wichtiger Mechanismus der Wohlstandsbildung, denn sie erleichterte den Kontakt zu Aufträgen und verschafften gleichzeitig hohe Gehälter.

In Saudi Arabien zum Beispiel war die Al Ghoseiby Familie seit langem ein enger Verbündeter der Herrschaft der Al Saud während der zwanziger und dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts und so hatte sie wichtige diplomatische Posten in Bahrain und Indien inne. In den siebziger und achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts hatten Familienmitglieder wichtige Positionen bei der saudischen Eisenbahn, im Industrieministerium, dem Elektrizitätsministerium und den Finanzbehörden in Saudi Arabien inne. Die Ali Reza Familie und die Al Zamil Familie hatten ebenfalls hohe Posten beim saudischen Staat.

In Dubai sind etwa die Familien Al Gurg und Al Ghurair , in Abu Dhabi die Familien Al Jaber oder Al Oteibah in einer entsprechenden Position und sind ein Beleg dafür, dass solche Entwicklungen in den Golfstaaten mehr oder weniger ähnlich verliefen. Diese Beispiele verdeutlichen auch die gleichzeitige und miteinander verflochten Entwicklung der Privatwirtschaft und des Staatsapparates in den Golfstaaten.

Es muss betont werden, dass diese Wirtschaftsentwicklung und die Entstehung des Privatsektors in dieser frühen Phase nicht einfach nur eine Angelegenheit vor der Umverteilung von Öleinnahmen an prominente Individuen oder Familien i.S. eines primitiven, statischen „Rentiers-System“ war.

Während dieser Umverteilungsprozess sicherlich zur gesellschaftlichen Formation beitrug, entwickelten sich mit der Zeit die Individuen und auch die auf Familienbanden beruhenden Unternehmen, die anfänglich Empfänger staatlicher Wohltaten waren, ihrerseits weiter zu massiven Konglomeraten mit wirtschaftlichen Aktivitäten in allen Bereichen des Wirtschaftskreislaufes

Der Ölsektor- staatliche Domäne

Die globale Bedeutung der Kohlenwasserstoffe in der Nachkriegsperiode beförderte die Produktion von Öl und Gas an die Spitze des Produktionskreislaufs in der Region am Golf.

Seit der Prozess der Nationalisierung der Ölwirtschaft in den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts begann, hatte über den ganzen Golf hinweg der Staat - und das war weit gehend die jeweilige herrschende Familie - die Kontrolle über die Ölproduktion.

Diese staatliche Kontrolle war am stärksten ausgeprägt in Saudi Arabien und Kuwait.

In Saudi Arabien übernahm der Staat die volle Kontrolle von ARAMCO im Jahre 1980 und änderte im Jahre 1988 ihren Namen in SAUDI ARAMCO. Die ARAMCO war ursprünglich entstanden im Jahre 1933 unter dem Namen California Arabian Standard Oil Company (Casco), nachdem die Regierung von Saudi-Arabien der Standard Oil of California (heute bekannt als Chevron) eine Lizenz erteilt hatte. Im Jahre 1936 kaufte die Texas Oil Company (heute bekannt als Texaco) einen 50% Anteil an der Konzession und im Jahre 1944 erhielt das Gemeinschaftsunternehmen den Namen ARAMCO. Die saudi-arabische Regierung erwarb im Jahre 1973 einen Anteil von 25% von ARAMCO, erhöhte ihn im Jahre 1974 auf 60% und erwarb schließlich im Jahre 1980 die volle Kontrolle.

In Kuwait übernahm im Jahre 1975 die staatliche Ölgesellschaft die Verantwortung für die Ölförderung und es wurde in der Verfassung verankert, dass keine ausländische Gesellschaft Öl-Ressourcen kontrollieren darf.

In den anderen Golfstaaten spielten ausländische multinationale Gesellschaften weiterhin eine Rolle bei der Produktion von Öl, wenn auch in einem geringeren Maße, als es noch zu Zeiten des direkten Kolonialismus der Fall war.

In den Vereinigten Arabischen Emiraten etablierte jedes der Emirate seine eigene staatliche Ölgesellschaft, aber in Tochtergesellschaften dieser staatlichen Unternehmen hatten ausländische Investoren weiterhin noch erhebliche Anteile.

In Abu Dhabi zum Beispiel ist bis heute die Abu Dhabi Company for Onshore Operations (ADCO) zu 40% im Besitz ausländischer multinationaler Gesellschaften und zu 60% bei der Staatsfirma ADNOC. ADCO generiert 60% der Ölproduktion in Abu Dhabi und ist damit der größte Ölproduzent im südlichen Golf.

In Katar beherrschen ausländische Gesellschaften etwa ein Drittel der Ölproduktion des Landes.

In Oman wurde mehr als 90% der Ölförderung durch die Petroleum Development Oman (PDO) vorgenommen, die ein Joint-Venture zwischen der Regierung (60%) und ausländischen Gesellschaften darstellt.

In Bahrain ist die Ölproduktion kontrolliert durch die staatliche Bahrain Petroleum Company, während ausländischen Investoren Ölkonzessionen in Offshore-Gebieten erteilt wurden.

Indirekte Partizipation des Privatsektors an der Ölproduktion

So war zwar der einheimische Privatsektor am Golf, der sich im Gefolge dieses Produktionskreislaufes des Öls entwickelte, vom direkten Eigentum an Öl und auch an seiner Kontrolle ausgeschlossen; ebenso wie bei der Gas-Exploration und -förderung der Fall.

Es gab aber viele Gelegenheiten in anderen Industrien, die entweder aus dem Ölsektor abgeleitet waren, oder die mit staatlichen Geldern aus Öleinnahmen initiiert wurden.

Anfänglich waren die wichtigsten dieser Alternativen Service-und auch Lieferverträge, die von Regierungen und ausländischen multinationalen Gesellschaften an lokale Gesellschaften gegeben wurden, entweder im Ölsektor, im Bereich anderer Industrialisierungsvorhaben oder dem Aufbau der Infrastruktur.

Dementsprechend bildeten sich die wichtigsten Gruppen im Privatsektor alle mehr oder weniger durch ihre beständige Involvierung in diese Arten von Dienstleistungen und anderen Verträge heran: Kaufverträge, Versorgungs- und Transportverträge, Werkverträge im Bereich der einfachen Manufaktur (Rohre usw.) sowie Verträge über Sicherheits- und Bewachungsdienste.

Ein Beispiel aus Bahrain ist die AL Zayani Familie, die ursprünglich aus dem Perlenhandel kam oder die Al Moayed Familie, beides sunnitische Familien, die mit dem Öl-Boom in verschiedene Bereiche diversifizierten, oder die Kanoo-Familie, eine der ältesten Kaufmannsfamilie mit persischen Wurzeln, die mit der Zeit im ganzen Golf aktiv wurde und heute zu den bekanntesten Wirtschafts-Clans gehört.

In Kuwait ist etwa die Familie Al Ghanim zu nennen, sowie die Familien Al Kharafi, Eissa (Sultan) und Shaya, alles alte, eng mit dem Herrscherhaus verbundene Kaufmannsfamilien, die im Ölzeitalter zu Größe heranwuchsen.

In Katar zählen hierzu etwa die Familie Al Fardan, ebenfalls ursprünglich im Perlenhandel tätig, später im Devisenhandel aktiv, oder die Famile Al Mana, ebenfalls eine der alten Kaufmannsfamilien.

Berühmte Vertreter dieser alten Kaufmannsfamilien in Dubai waren etwa die ursprünglich aus Al Fujeirah stammende Familie Al Gurg oder die Familie Al Ghurair, bis heute einer der weit verzweigten und mächtigsten Familien-Clans in den UAE. Während viele der alten Kaufmannsfamilien in Dubai ursprünglich aus dem östlichen Teil des Persischen Golf, also aus Persien, nach Dubai gekommen sind, waren es in Abu Dhabi sehr viel mehr Familien-Clans aus der Stammesförderation der Bani Yas, die seit jeher eng mit der herrschenden Familie Al Nahiyan aus dem Clan der AL Bu Falah verbunden und verbündet war, wie zum Beispiel der Stamm der Mazarea (Einzahl: Al Mazruei) aus der westlichen Wüste von Abu Dhabi. Aber auch in Abu Dhabi kamen neben den Stämmen auch traditionelle Kaufmannsfamilien zu Aufträgen, wie etwa die Familie Al Jaber oder die Familie Al Noweis, auch sie eng mit dem Herrscherhaus – teils auch durch Einheirat - verbunden.

Für Oman können beispielhaft angeführt werden die Familie Al Zawawi oder Al Zubair.

In Saudi-Arabien schließlich ergoss sich diese Art von indirekten Öleinnahmen durch Erlangung von Service-Aufträgen und anderen Geschäftsgelegenheiten auf zahlreiche Familien-Clans wie etwa Al Gosaibi, der als Händler und Geldwechsler in der Stadt Al Khobar praktisch zusammen mit ARAMCO wuchs. Ähnliche Anfänge hatten die Familien Al Zamil (ursprünglich aus Bahrain), Al Olayan oder Al Turki. Die Familien Ali Reza und Al Jomah begannen als Hoflieferanten für den König und wurden dann auch Lieferanten und Service-Partner der aufkommenden Ölindustrie.

Durch diese Aktivitäten wurde ein Teil der Einnahmen aus der Öl- und Gasförderung von der sich entwickelnden Privatwirtschaft am Golf absorbiert. So war der Prozess der Staatsbildung und der gesellschaftlichen Strukturen eng mit dieser Verteilung von Verträgen verbunden.

Dies kann man sehr gut verfolgen am Beispiel Saudi-Arabiens, wo die Präsenz von Vermittlern – Brokern und Gatekeepern- also Individuen, die den Zugang zu Entscheidungsträger im Staatsapparat kontrollierten- die Wichtigkeit von Staatsverträgen für die Wirtschaftsentwicklung verdeutlichte.

In vielen Fällen waren auch Mitglieder der königlichen Familie, meist durch Treuhänder, an der Zuteilung dieser Kaufverträge und anderer Verträge, beteiligt.

Aber die königliche Familie war nicht der einzige Empfänger. In den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts wurde in Saudi-Arabien eine ganze Reihe von staatlichen Institutionen etabliert, deren Zweck es war, den sich entwickelnden privaten wirtschaftlichen Gruppierungen zinsfreie Kredite und andere Zuwendungen für Bauverträge zu gewähren.

Im Prinzip gab es vergleichbare Entwicklungen in allen Golfstaaten, wobei sich das heimische Kapital vor allem durch Aktivitäten im Baugewerbe etablierte. Zu Beginn der siebziger Jahr war die Bauwirtschaft mit jährlichen Wachstumsraten von mehr als 25% der am schnellsten wachsende Sektor in der Privatwirtschaft mit einem Anteil von mehr als 30%. Zunächst in Saudi-Arabien, später in ähnlicher Weise auch in anderen Golfstaaten, wurden Gesetze erlassen, die vorschrieben, dass lokale Subunternehmen mit bis zu 30% an Bauaufträgen zu beteiligen waren und dass bei Staatsaufträgen einheimische Handelsvertreter eingeschaltet werden müssen. Eines der herausragenden Beispiele für einen rasanten Aufstieg bietet die Geschichte von Salah Abdullah Kamal, der Ende der sechziger Jahre die Al Baraka Group gründete, die als Bauunternehmen begann und sich dann über Wartungsverträge für Flughäfen aber auch Service-Verträge für die heiligen Stätten Mekka und Medina bis ins Bankgeschäft diversifizierte und sich zu einem der größten Konglomerate in der arabischen Welt entwickelte.

Industrialisierung im Downstream-Sektor

Beginnend mit den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts starteten die Golfstaaten Aktivitäten in energieintensiven Sektoren und bei der Produktion von aus dem Öl abgeleiteten Produkten.

Dieser Prozess wurde vorangetrieben von staatlichen Industrieunternehmen, die eng mit den staatlichen oder halbstaatlichen Ölfirmen verbunden waren und die Joint-Ventures mit ausländischem Unternehmen etablierten.

Jeder der Golfstaaten errichtete eine oder mehrere solcher Gesellschaften, deren Ziel es war, Öleinnahmen in industrielle Downstream-Projekte zu lenken.

Am Anfang profitierten hauptsächlich die ausländischen Anteilseigner von dieser gemeinsamen Eigentümerstellung, etwa durch Honorare für Ingenieurarbeiten und Projektmanagement, während das heimische Kapitel von den damit verbundenen weniger komplexen Bauarbeiten etc. profitierte.

Erst etwa ab dem Jahre 2000 wurde der einheimische Privatsektor in einer nennenswerten Größenordnung involviert in die direkte Produktion von Downstream-Produkten. Ein Beispiel aus Saudi-Arabien ist das petrochemische Unternehmen SABIC, heute eines weltweit größten in diesem Bereich, das vom saudi-arabischen Staat gegründet wurde und nachfolgend direkt oder über Tochterunternehmen auch für private Anteilseigner geöffnet wurde. Ähnliche Beispiele aus anderen Golfstaaten mit staatlicher und privater Beteiligung sind etwa Katar Petroleum und seine diversen Tochterunternehmen, die Kuwaiti Petrochemical Industries Company (IPC), die Bahrain Petroleum Company (BABCO), die Oman Oil Company(OOC) und die Abu Dhabi National Oil Company (ADNOC).

Energieintensive Industrien

Der Zugang zu relativ billigen Energiequellen in der Golfregion hatte Einfluss auf die Entwicklung anderer sekundärer Industrien, etwa auf die Produktion von Basismetallen (zum Beispiel Aluminium und Stahl), bei der Elektrizität eine wichtige Komponente der Gesamtkosten darstellt. In der Aluminiumindustrie macht Energie 30% der Gesamtkosten aus, bei der Stahlproduktion etwa 20-40%. Ähnlich wie bei der petrochemischen Industrie erfolgte die Etablierung energieintensiver Metallindustrien während der siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts zunächst durch Staatsgesellschaften, die oft mit dem Ölsektor verbunden waren. Diese Metallprodukte stellen wiederum die Vorprodukte für andere Industrien, die Kabel, Bleche, Aluminiumsteile etc. herstellen und es waren dann diese Sektoren, in denen sich insbesondere die einheimische Privatwirtschaft etablieren konnte.

Dasselbe Schnittmuster der Verbindung von staatlichem und einheimischem Kapital kann man auch am Beispiel der Zementindustrie sehen, bei der ebenfalls die Energiekosten etwa 30-40% der Gesamtkosten ausmachen. Der Besitz dieser Gesellschaften wurde dominiert von den großen einheimischen Privatkonglomeraten in Verbindung mit staatlichen Investment-Funds und staatlichen Einrichtungen.

Warenkreislauf - Importhandel und Einzelhandel

Auch der Warenkreislauf spielte eine wichtige Rolle bei der Entwicklung des Privatsektors am Golf und der Formation seiner führenden Konglomerate. Wegen der Bedeutung von Öl und aus Öl abgeleiteter Industrien in der Golfregion besteht ein großer Teil der Importe der Region in der Einfuhr von Maschinen und Transportmitteln, welche die notwendige Infrastruktur für diesen Öl- und Gassektor bilden.

Historisch gesehen hielten sich die Herrscherfamilien der Golfstaaten, allerdings mit der bemerkenswerten Ausnahme der Al Thaini’s in Katar und der Al Maktum’s in Abu Dhabi, aus dem Importhandel und anderen Handelsaktivitäten weitgehend heraus.

Es gab ein stillschweigendes Abkommen zwischen dem Herrscher und den führenden Kaufmannsfamilien, dass der Handel ohne die Involvierung der herrschenden Familie erfolgen sollte, vorausgesetzt, dass die Kaufleute den Herrscher durch Steuern, Kredite und politische Loyalität unterstützen.

So war die Gewährung von exklusiven Handelsvertretungen („sole agency“) eines der wirksamsten Instrumente für den Herrscher, sich die Unterstützung der führenden Kaufmannsfamilien zu sichern.

Es wurden, beginnend mit den siebziger Jahren des 20.Jahrhunderts, entsprechende Gesetze erlassen, die bestimmten, dass Importe in das Land nur über die Repräsentation durch einen Handelsvertreter („Commercial Agent“) erfolgen konnten und die gleichzeitig vorschrieben, dass Handelsvertreter nur einheimische Individuen oder zu 100% im Besitz von Einheimischen befindliche Unternehmen sein konnten. Es folgten Bestimmungen über die Notwendigkeit der Einschaltung eines lokalen Sponsors für ausländische Unternehmen, die Notwendigkeit einer lokalen Mehrheitsbeteiligung bei Gesellschaften und ähnliche Regelungen, die allesamt das Ziel hatten, die kleine einheimische Bevölkerung indirekt am Ölreichtum und dem daraus resultierenden Wirtschaftsboom zu beteiligen.

Nicht nur im Importhandel, auch im Einzelhandel spielten traditionelle Familienkonglomerate eine grosse Rolle. Die Al Futtaim Gruppe, ebenfalls aus einer alteingesessenen Kaufmannsfamilie aus Dubai stammend, ist als Besitzer des berühmten Emirates Mall und anderer Einkaufspaläste rund um den Golf und in anderen arabischen Ländern ein besonders herausragendes Beispiel. Oft sind dabei Importeure und Besitzer dieser Einzelhandelsgeschäfte persönlich und kapitalmäßig miteinander verbunden.

Importe von Militärgütern

Ein weiteres wichtiges Element des Warenkreislaufes ist der Kauf militärischer Güter aus dem Ausland. Insbesondere zeichneten sich Saudi Arabien, Kuwait und die Vereinigten Arabischen Emirate durch extrem hohe Einkäufe von militärischem Material aus. Wie bei anderen Komponenten des Warenkreislaufs stellte der Handel mit militärischen Gütern eine Möglichkeit für Unternehmer und Gesellschaften am Golf dar, einen Teil des Importvolumens an sich zu ziehen. Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang auch der Begriff des „Off-Set“, durch den ausländische Exporteure verpflichtet werden, einen Teil ihrer Einnahmen wieder im Lande selbst anzulegen. So wurde Off-Set ein wichtiger Teil der Kapitalakkumulation für Einheimische, da sie in Joint-Ventures als Partner von Technologietransfer und Kapitaltransfer seitens ausländischer Exporteure profitierten. Ein Beispiel aus den VAE ist etwa die Familie Al Noweis, die über ihre Beteiligung an der Waha Group sehr stark in das Off-Set Geschäfte im Luftfahrtbereich involviert wurde.

Finanzsektor

In den sechziger Jahren begannen die wachsenden Öleinnahmen auch die Entwicklung eines lokalen Bankensystems zu befördern.

Unter der Eigentümerschaft großer Kaufmannsfamilien entstanden lokal kontrollierte Banken am Golf, die von den wachsenden staatlichen Strukturen unterstützt wurden.

So sind in Saudi-Arabien nahezu alle großen Familien neben ihren Aktivitäten in Handel und Industrie auch an den großen Banken und Finanzinstitutionen beteiligt, Familien wie Al Raji spielen dabei auf Weltniveau mit. Gleiches gilt für die großen Wirtschafts-Clans in allen anderen Golfstaaten. Teils besitzen sie selbst Banken, sind an Banken beteiligt und/oder sitzen in entsprechenden Vorstands—und Aufsichtsgremien.

Ein weiteres Kennzeichen des Finanzkreislaufs in den Golfstaaten -wiederum parallel zu der Entwicklung des Produktionskreislaufs- war die starke Involvierung von Staatskapital in den Bankensektor.

Man muss jedoch vorsichtig sein, zu scharf zwischen privatem Kapital und staatlichen Kapital im Finanzkreislauf der Golfstaaten zu unterscheiden.

Oft wurden die Banken gegründet mit einem anfänglichen staatlichen Startkapital als Mittel zur Unterstützung privaten Kapitals, das eng verbunden war mit denselben staatlichen Strukturen, die seitens der herrschenden Familie kontrolliert wurden und die auch ein private geschäftliche Interessen verfolgten.

Ein besonders bemerkenswertes Beispiel ist die Herrscherfamilie von Abu Dhabi; einige ihrer Mitglieder halten signifikante Beteiligungen an privaten Banken in den Vereinigten Arabischen Emiraten, wie etwa die First Gulf Bank und die Abu Dhabi Commercial Bank.

In ähnlicher Weise sitzen Vertreter der herrschenden Familien von Katar und Kuwait in vielen Bankvorständen, meist über Treuhänder oder ihre „private Offices“.

Der Privatsektor am Golf in Zeiten der Globalisierung

Der Zusammenbruch des Ostblocks und die Öffnung Chinas zum Weltmarkt ging einher mit einer generellen Globalisierung der Wirtschaft. Ein wichtiger Charakterzug dieser neuen Phase der Internationalisierung war ein qualitativer Sprung, was die Wichtigkeit der Finanzmärkte für das Funktionieren der Weltwirtschaft anbelangt und gleichzeitig die Herausbildung eines, auf globaler weltweiter Produktion und weltweiter Verteilungsketten beruhenden, globalen Marktes. Diese Entwicklungslinien hatten auch enorme Auswirkungen für die Golfstaaten und trugen dazu bei, dass sich zu Beginn des 21. Jahrhunderts so etwas wie "Golfkapital" („Khaliji-Capital“) herausbilden konnte.

Die frühe Phase der Internationalisierung und der Regelung der Finanzmärkte hatte auch große Auswirkungen für den Golf.

Dabei gab es drei größere Parameter, welche gleichzeitig die frühen Entwicklungslinien im produktiven Sektor, im Handelssektor und in der Finanzwirtschaft parallel mitbestimmten.

Zum einen begannen die Öl- und Gasexporte eine epochale Ausrichtung nach Osten und unterstützen damit auch den Anstieg der Industrialisierung in Asien.

Zum anderen halfen „”Petro Dollars”“ aus dem Golf Ungleichgewichte auszugleichen, die durch die Hegemonie des US Dollars und die zentrale Rolle der Konsumwirtschaft in den USA verursacht wurde.

Drittens führte die rasante industrielle Entwicklung in der Golfregion dazu, dass die Golfregion selbst eine erhebliche Bedeutung für die globale Export- und Servicewirtschaft erlangte.

Jeder dieser Trends akzentuierte die herausragende Rolle der Golfstaaten innerhalb der globalen Wirtschaft und gleichzeitig auch die Rivalitäten, die dabei entstanden.

GCC-Öl, Weltenergiebedarf und internationale Rivalitäten

In den Jahren 2000-2006 stieg der Verbrauch an Energie in der Welt um etwa 20%, wobei allein China während dieser Zeitspanne für etwa 40% des Anstiegs verantwortlich war. Obwohl China zu dieser Zeit bereits der sechstgrößte Ölproduzenten zwar (bis 1993 war es sogar ein Netto- Ölexporteur), war es etwa in der Mitte des ersten Jahrzehnts des 21. Jahrhunderts nach den USA der größte Konsument von Öl weltweit. Dies war vor allem auch ein Ergebnis von Chinas rasanter industrieller Transformation zur „Werkbank der Welt“.

Ein vitales Ergebnis dieser Wendung nach Osten für die Energiereserve des Rohöls war ein zunehmender Kampf zwischen Ost und West um die Sicherung langfristiger Bezugsquellen aus der Golf-Region, in der mindestens 40% der nachgewiesenen Ölreserven sowie etwa 20% der nachgewiesenen Gasreserven lagern.

Einer der bemerkenswerten Aspekte hierbei war das strategische Band, welches zwischen Fernost und der Golfregion geknüpft wurde.

Indem Öl und Gas aus dem Golf vermehrt ostwärts flossen, wurde eine neue Welle von „”Petro Dollars”“ in der Region akkumuliert, wovon wiederum ein großer Teil gen Westen floss, hierbei vor allem in die Finanzmärkte der USA, wo es als Kredite für US-Konsumenten und die US-Wirtschaft eingesetzt wurde.

Man schätzt, dass jede Erhöhung des Ölpreises von zehn Dollar pro Barrel den Regierungen der Ölförderländer einen Betrag von 90 bis 100 Milliarden $ an Einnahmen brachte.

Viele an daraus getätigten Investitionen wurde in den Golfstaaten durch sog. „Sovereign Wealth Funds“ (SWF’s) getätigt, wobei wiederum 50-55% aller dieser Investments aus dem Golf im US Markt investiert wurden. Ob durch SWF’s, privates Kapital oder Zentralbanken, jedenfalls spielten diese neuen Ströme von “Petro Dollars” aus dem Golf eine wichtige Rolle bei der Strukturierung und der Hierarchisierung des Weltmarktes, wie er sich in der Phase nach dem Jahre 2000 entwickelte.

Zusätzlich zu seiner wichtigen Bedeutung für die Energieflüsse und die Finanzflüsse der Weltwirtschaft war ein dritter wichtiger Charakterzug des Golfs in dieser neuen Phase der Internationalisierung ein erhöhter Wettbewerb über die Importmärkte am Golf selbst, wobei allerdings letztlich die westlichen Staaten, allen voran die USA, die zunehmende Orientierung nach Osten nicht aufhalten konnten.

Indem der Golf sich herauskristallisierte als eine Schlüsselregion für Energie- und Finanzströme für den Weltmarkt, agierte er auch als Katalysator der weiteren Tendenzen dieser jüngeren Phase der Internationalisierung der Wirtschaft.

Die Formation eines „Golf-Wirtschaftssektors“, der „Al Khaliji’s“

Zur gleichen Zeit spiegelte die Golfregion diese Tendenzen auch intern wider durch eine rapide Änderung der Struktur seiner Wirtschaftselite und seiner gesellschaftlichen Entwicklungen. Es ereignete sich eine qualitative Transformation der Golf-Wirtschaft, welche im produktiven Sektor wie auch im Finanzsektor und im Warensektor zur Bildung großer Konglomerate führte.

So kann man davon sprechen, dass sich momentan eine neue, die ganze Golfregion erfassende Wirtschaftselite entwickelt. Diese – das „Golfkapital“ – bildet diese Internationalisierungstendenzen auf allen Bereichen des Kapitalkreislaufes ab und operiert auf einer golfweiten Ebene.

Der Begriffs des „Golfkapitals“ bedeutet allerdings nicht unbedingt, dass man diese Kapitalgruppen nicht mehr als “Saudi“, „Emirati“ oder „Kuwaiti“ usw. identifizieren könnte.

Im Gegenteil kann es durchaus sein, dass diese nationalen Identitäten, zumindest auf absehbare Zeit, äußerlich noch mehr hervortreten, während im Kern ihre weitere Internationalisierung bzw. Regionalisierung fortschreitet.

Auf jeden Fall repräsentiert das Golfkapital eine neue Struktur sozialer Beziehungen, die sich aus zunehmenden Gelegenheiten der grenzüberschreitenden Wirtschaftstätigkeit im gesamten Golf bieten.

Sie sind dabei durchaus gleichzeitig verbunden mit und teilweise auch überlagert von Verlauf und Entwicklung auf auf nationaler, einzelstaatlicher Ebene.

Der Kern des „Golfkapitals“ ist strukturiert entlang einer Saudisch-Emiratischen Achse, oft verbunden mit anderen Konglomeraten aus den Golfstaaten als Partner.

Auch die institutionellen Änderungen die durch regionale Integrierungsprojekte hervorgerufen wurden - eine Zollunion, ein gemeinsamer Markt, größere Integration der Kapitalmärkte - haben diese Internationalisierungstendenzen gestärkt, indem sie Kapital, Waren und Bürgern erleichtert haben, sich freier über die Grenzen der Golfstaaten hinweg zu bewegen.

Diese grenzübergreifenden Wirtschaftsaktivitäten entstanden zuerst und sehr ausgeprägt im produktiven Sektor, der im Wesentlichen dominiert wird durch den Bausektor und die Herstellung energieintensiver Produkte.

Saudi Arabien und die VAE sind die Hauptländer, in denen dieser Trend zu grenzüberschreitenden MEGA-Unternehmen stattgefunden hat, sicherlich hervorgerufen durch die Tatsache, dass in diesen Ländern auch die ersten und größten MEGA-Projekte verwirklicht wurden. Während früher diese MEGA-Projekte meist an ausländische Unternehmen, zunehmend an Generalunternehmer, vergeben wurden, stieg in den letzten Jahren der Anteil von großen Bauunternehmen aus den Golfstaaten, die entweder als großer Sub-Unternehmer ausländischer (in letzter Zeit meist fernöstlicher) Generalunternehmer, oder zunehmend als Joint-Venture-Partner solcher ausländischer Generalunternehmer, sich den Löwenanteil des enormen Projektmarktes am Golf sichern konnten. Dabei tun sich auch grenzüberschreitend viele der bekannten Familienkonglomerate aus den einzelnen Golfstaaten zusammen oder beteiligen sich an solchen Unternehmen. Ein Blick auf die Beteiligungsverhältnisse an solchen Unternehmen, soweit sie transparent gemacht werden, liest sich oft wie das „Who is Who“ altbekannter Namen von Stämmen, Stammesfamilien und althergebrachter Kaufmannsfamilien, ergänzt natürlich um Personen, die es als Experten oder tüchtige Aufsteiger geschafft haben, sich in das „Stamm-Buch“ der neuen Wirtschaftselite am Golf einzutragen.

Auch das System von Handelsvertretungen und Vertriebsstrukturen, welches in der frühen Phase entwickelt wurde, bleibt ein wichtiger Faktor dieses Kreislaufes. Konglomerate aus Saudi Arabien und den VAE kontrollieren dieses Element des Warenkreislaufs, indem sie oft Handelsvertreterrechte für viele Staaten gleichzeitig halten mit einer klaren Orientierung, auch ihre Einzelhandelsaktivitäten über die ganze Region zu erstrecken.

Ähnliches kann man, wie bereits beschrieben und bei näherem Hinsehen an vielen altbekannten Namen festzumachen, bei der regionalen Finanzwirtschaft feststellen.

Um im traditionellen Bild der „Stammeskunde“ zu bleiben, entwickelt sich also momentan gerade auch im wirtschaftlichen Bereich eine neue Stammesformation, die „Al Khaliji’s“, die sich über die einzelstaatlichen Grenzen hinaus regional gruppiert und agiert.

Es bedürfte einer vertieften Betrachtung , um der Frage nachzugehen, ob diese Entwicklungen hin zu einer „Khaliji-Wirtschaft“ das Potenzial haben, nennenswerte Widersprüche innerhalb der Golfstaaten hervorzurufen, da die politische Integration der Region bisher noch nicht so weit fortgeschritten ist wie die wirtschaftliche Integration und die politischen Elite innerhalb jedes Golfstaates natürlich immer noch ein beträchtliches Interesse hat, die Kontrolle über die nationale Politik, auch die Wirtschaftspolitik, zu behalten. Die ist möglicherweise auch ein Grund für die noch relativ schwache Integration der Institutionen und Mechanismen des Golfkooperationsrates, da immer noch nationale, einzelstaatliche Interessen die Oberhand behalten.

Doch auf der Ebene der einzelnen Golfstaaten gibt es dieses Spannungsverhältnis zwischen „Modernisierung“ und Beharrungsvermögen, zwischen den Notwendigkeiten und Realitäten einer modernen Wirtschaftsordnung und der Erhaltung von Privilegien und Annehmlichkeiten aus der Vergangenheit. Ein Beispiel dafür ist etwa die Tatsache, dass in den meisten Golfstaaten eine Reform des – im modernen Wirtschaftsprozess überholten – Sponsor-Systems, oder des exzessiv den lokalen Agenten favorisierende Handelsvertreterrechts oder des Verbots einer ausländischen Mehrheit im Gesellschaftsrecht bisher am Widerstand traditioneller Kräfte innerhalb der einheimischen Kaufmann-und Unternehmerschaft gescheitert ist.

Eine noch größere Herausforderung für die Privatwirtschaft in den Golfstaaten ist die Umstellung der Familienkonglomerate – die wie dargestellt, durch ihre Beteiligung am Öl-Boom in alle möglichen Aktivitäten involviert wurden und heute oft ein sehr weitgefächertes und teilweise durchaus überdehntes Portfolio abdecken- in moderne, im internationalen Wettbewerb bestehende Unternehmen.

Allerdings hat die jüngste Wirtschaftskrise, die nicht nur – dort allerdings am sichtbarsten – in Dubai ihre Auswirkungen hatte, gezeigt, dass durchaus noch alte Wirkungsmechanismen, die nicht aus dem Baukasten herkömmlichen Krisen-Managements stammen, vorhanden sind. Dies betrifft nicht nur den „Bail-Out“ von Dubai durch die Vettern aus Abu Dhabi. Auch in anderen Ländern wurden durchaus für einen westlichen Beobachter ungewöhnliche Maßnahmen ergriffen, wie etwa die Bezahlung bzw. der Erlass von Bankschulden für die Untertanen durch den Herrscher in Kuwait oder andere staatliche „Sozialmaßnahmen“ – etwa in Form von 80-100%igen Gehaltserhöhungen für Staatsbedienstete, die Übernahme des Schulgeldes durch den Staat und vieles mehr.

Für den Beobachter von außen ist es müßig zu fragen, wie lange sich dieses „Klientel-System“ noch aufrechterhalten lässt und was dies für Auswirkungen auf eine nachhaltige, über das Ölzeitalter hinausgehende Wirtschaftsentwicklung hat, scheint doch in den meisten Golfstaaten noch für lange Zeit das hohe Wohlstandsniveau dank hoher Öleinnahmen gesichert.

Wichtiger ist auf jeden Fall, zumindest für den, der in den Golfstaaten erfolgreich Geschäfte machen will, sich auf die Charakteristika der Gesellschaften am Golf einzustellen und die aus der traditionellen Stammesgesellschaft und Familienwirtschaft noch in die Gegenwart hineinreichenden Traditionen und Parameter zu beachten.


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