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Optionen für Saudi-Arabien 2015


Als Saudi-Arabien am 15.Juni seine Börse für ausländische Investoren öffnete, wäre dieses Ereignis normalerweise in der internationalen Geschäftswelt mit spürbarer Begeisterung aufgenommen worden, stellt es doch so etwas wie eine kleine wirtschaftspolitische Revolution im Königreich dar, mit Konsequenzen, die weit über das Thema Kapitalmarkt hinausgehen ( siehe auch den ausführlichen Artikel zur Börseneröffnung in diesem Blog)

Denn durch die Öffnung der Börse sollen ausländische Anleger und Investoren dazu beitragen, die noch sehr stark erdölabhängige Wirtschaft des Landes zu diversifizieren und damit zukunftsfähig zu machen.

Aber statt steil nach oben zu schießen, schloss die saudische Börse an diesem Tag mit einem Minus von ca. 1%, also kein Tag, an den man sich in Saudi-Arabien positiv erinnern wird.

Aber für Analysten stehen bei ihrem Blick auf Saudi-Arabien momentan andere Entwicklungen im Vordergrund, die ihnen durchaus Sorgenfalten auf die Stirn zeichnen.

Da ist einmal der Wechsel in der Thronfolge und der Anspruch der Enkelgeneration des Staatsgründers Abdelaziz Al Saud, die nunmehr an die Macht drängen und die mit dem, mit sehr starken wirtschaftlichen und sogar militärischen Befugnissen ausgestatteten, stellvertretenden Kronprinzen, Mohamad Bin Salman, dem Sohn des neuen Königs, einen mächtigen ersten Repräsentanten haben.

Zum Thema Thronwechsel und nachfolgend auch grundlegende Veränderungen in Kabinett und anderen Schlüsselfunktionen kommen noch andere Themen, wie der Krieg im Jemen, der Verfall des Ölpreises und damit beträchtliche Mindereinnahmen, sowie der Anstieg terroristischer Aktionen im Königreich, vor allem in der erdölreichen , mehrheitlich von Schiiten bewohnten, Ostprovinz des Landes. Schließlich - und das scheint momentan für Saudi-Arabien „die Mutter aller Themen“ zu sein - der regionale Konflikt mit Iran.

Die Thronfolge- die Enkelgeneration an die Macht

Was die Zukunft der Dynastie des Hauses Saud anbelangt, so ist das Jahr 2015 durchaus ein schicksalhaftes Jahr , das im Januar mit dem Tod von König Abdullah begann. Sein Nachfolger, König Salman, stellte klar, dass das Land sich in eine schwierige Richtung bewegt und dass eine neue Art von Governance erforderlich ist. Ende April, „wurde“ Kronprinz Muqrin gegangen und durch Prinz Mohammed Bin Nayef ersetzt, während der Sohn des Königs, Prinz Mohammed bin Salman in die Rolle des stellvertretenden Kronprinzen katapultiert wurde. Diese Änderungen bedeuten – abgesehen von der ebenso beachtenswerten Tatsache, dass damit der „Sudairi-Clann“ wieder als wesentliche Linie innerhalb des Hauses Saud wieder fest etabliert wurde- dass die Macht im Lande, die bisher jeweils an die verschiedenen Söhne des Staatsgründers König Abdul Aziz weitergereicht worden war, in dieser Form zu Ende ging und auf dem Sprung zur Enkelgeneration ist.Während König Salman also die obersten Ränge der Macht umstrukturiert hat, hat er gleichzeitig entschiedene Ministerien und Behörden umgeformt, um die Macht weiter zu zentralisierten, so dass sie die neue herrschende Elite reflektiert.

Krieg im Jemen

Diese neue Führung, getrieben insbesondere vom Königssohn Mohamed Bin Salman, unternahm auch gleich einen außerordentlichen Schritt, nämlich das Königreich in einen Krieg im Nachbarland Jemen zu führen. Die von Saudi-Arabien geführte Koalition , die versucht hatte, die schiitischen Houthi-Rebellen und Milizen, die loyal zu dem früheren Präsidenten Ali Abdullah Saleh stehen, zurückzudrängen hatten bereits seit März letzten Jahre verschiedene Einfälle in den Jemen unternommen.

Der Konflikt nahm aber am 5. Juni 2015 einen Besorgnis erregenden Verlauf, als eine Scud-Rakete, abgefeuert aus dem Jemen, in Saudi-Arabien einschlug, was Generalsekretär der Vereinten Nationen „tickenden Zeitbombe“ sprechen liess. Es scheint so zu sein, dass die in Genf geführten Friedensverhandlungen nicht so schnell zu einem Ergebnis kommen, da Riad nicht zufrieden sein wird, bevor der exilierte Präsident al Hadi wieder im Amt ist, und die Al Houthi sich in einer so starken Position sehen, dass es unwahrscheinlich ist, dass sie dies erlauben werden.

Mindereinnahmen im Staatshaushalt

Die insbesondere wegen der Entwicklungen im Jemen notwendigen Erhöhungen der Ausgaben der Militärausgaben und der Kosten für die zivile Verteidigung kommt zu einer Zeit, der Saudi-Arabien seine Staatseinnahmen drastisch gekürzt sieht als Resultat des Kollapses der Ölpreise seit Mitte Juni 2014 (siehe hierzu den einschlägigen Artikel in diesem Blog.)

Die unnachgiebige Förderpoitik Saudi-Arabiens hatte jedenfalls auch bereits ihren Preis. Exporte von Kohlenwasserstoffen stehen für 90 % der Einnahmen.Bei Exporten von etwa 8 Millionen Barrel pro Tag bedeutet ein Rückgang von 10 $ pro Barrel eine Mindereinnahme von 29 Milliarden. GEHT MAN FÜR DEN Zeitraum zwischen 2012-2014 von ca. 300 Milliarden $ pro Jahr aus, so kommt man für das Jahr 2015 auf Grundlage eines durchschnittlichen Verkaufspreises von 56 $ pro Barrel und Exporten von 8 Millionen Barrel pro Tag auf ca. lediglich 164 Milliarden $ verdienen, also weit weit weniger, als man bisher gewohnt war. Zwar hat die saudische Regierung laut eigenen Angaben etwa 736 Milliarden $ Reserven während der letzten Überschussjahre angesammelt und kann damit mühelos seine Ausgaben in diesem Jahr zu decken. Aber sollten die Ölpreise, wie allgemein erwartet weiterhin niedrig bleiben und sollte der Krieg im Jemen noch lange weitergehen, so könnte durchaus eine schwierige Situation eintreten. Denn die Ölpreise könnten och weiter fallen, sobald eine Vereinbarung zwischen den USA, bzw. den P5+1 und Iran abgeschlossen wird. Denn die Islamische Republik hat verkündet, dass sie innerhalb von 6 Monaten nach Aufhebung der Sanktionen die Ölproduktion um etwa 1 Million Barrel pro Tag erhöhen werde, und auch 35 Millionen Rohöls zum unmittelbaren Verkauf in den Markt bringen werde.

Der Kampf um die regionale Vormachtstellung am Persischen Golf

Der Ölpreis und die Aussicht, dass Iran wahrscheinlich innerhalb der OPEC an Einfluss gewinnen wird, erhöht sind noch die geringeren Sorgen der saudischen Führung, die aus dem potentiellen Nuklearabkommen mit Iran entstehen. Am meisten Sorgen macht sich das Königreich wegen der Erwartung ist, dass die islamische Republik in in die Lage versetzen wird, nicht nur ihre wirtschaftliche Macht auszubauen, sondern auch ihren politischen Einfluss in der Region vergrößern wird. Zwar hat Saudi-Arabien hat offiziell die Unterzeichnung des vorläufigen nuklearen Rahmenabkommens Anfang April in einem Telefonat mit Präsident Obama begrüßt, aber gleichzeitig sybillinisch betont, dass dadurch die Stabilität und Sicherheit der ganzen Region und der ganzen Welt gestärkt werden müsse. Nach Aussage eines gut informierten Kreisen soll Präsident Obama während dieses Telefonates ganz unverblümt dem saudischen König zu diesem Thema gesagt haben: „Wir lösen unsere Probleme mit dem Iran, tut ihr das auch.“ Diese Konversation hat sicherlich nicht dazu beigetragen, das Vertrauen Saudi-Arabiens in die Nahostpolitik seines Hauptverbündeten über viele Jahrzehnte lang wieder zu befestigen. Und sie bestärkte das Königreich in der Befürchtung, dass sie den Kampf mit Iran in der Region im Wesentlichen auf sich gestellt führen müssen. Aktueller Brennpunkt dabei ist der Kampf gegen die Al Houthi im Jemen. Die umgehende und aggressive Antwort von König Salman gegen den Vormarsch der Al Houthi im Jemen basiert auf dem Glauben, dass diese als eine fünfte Kolonne für Terrain agieren und dass Saudi-Arabien keine andere Wahl hat, als so zu handeln, wie es gehandelt hat, wenn Iran oder seine Vasallen an seiner südlichen Grenze Krieg führen. Iran und Riad unterstützen außerdem entgegengesetzte Seiten im syrischen Bürgerkrieg, wobei Iran weiterhin den Präsidenten Al Assad gegen – auch von Saudi-Arabien unterstützte sunnitische Rebellengruppen unterstützt. Weiterhin hat Riad die Befürchtung, dass ein zu weiches Nuklearabkommen Teheran erlauben würde, seinen Weg zur Entwicklung einer Atombombe fortzusetzen. Der Verdacht, dass Iran sein ziviles Anreicherungsprogramm von Uran in ein nukleares Waffenprogramm weiter entwickeln konnte, könnte, so die Warnung Saudi-Arabiens zu einem nuklearen Wettrüsten in der Region führen, wobei Saudi-Arabien keinen Zweifel daran lässt, dass es das nächste Land in der Region wäre, welches, gegebenenfalls mit Hilfe Pakistans, solche Waffen entwickeln würde.

Kampf gegen Terrorismus im Innern

In der Zwischenzeit führt Riad auch einen wachsenden Kampf gegen Terrorismus im eigenen Lande, prmär gegen Sympathisanten oder Franchise-Gruppierungen des Islamischen Staates (IS), der ganze Teile der Nachbarländer Syrien und Irak unter Kontrolle hat. Im Mai dieses Jahres gab es zwei Selbstmordattentate in schiitischen Museen in der saudischen Ostprovinz. Auch wurden in verschiedenen Teilen des Königreiches „Westler“ attackiert.

Eine realistische Risikoanalyse kann davon ausgehen, dass der IS momentan nicht versuchen wird, die Grenzen des Königreichs zu überschreiten. Saudi-Arabien hat eine starke Zentralregierung und eine fundierte Zivilverteidigung, so dass der islamische Staat niemals in der Lage sein wird, sich so schnell auszubreiten, wie er es in Syrien und im Nordirak getan hat. Riad hat auch eine gute Bilanz in der Unterbindung von heimischen Terrorattacken, seit es etwa Al Qaeda nach deren terroristischen Attacken im Jahr 2003 praktisch im Lande aufgelöst hat. Im Mai gab es zahlreiche Verhaftungen von etwa einhundert angeblichen Sympathisanten des islamischen Staates.

Die viel größere Bedrohung für Saudi-Arabien liegt vielmehr auf ideologischem Gebiet , denn die Ideologie des islamischen Staates nährt sich in wesentlichen Teilen aus der in Saudi-Arabien historisch entwickelten und herrschenden Richtung des sunnitischen Islam wahabitischer Ausprägung, der ja auch die übergroße Mehrheit der saudischen Bevölkerung folgt. Dies könnte einmal durchaus der Ausgangspunkt sein für „lonely wolf“ –Attacken von Sympathisanten des IS, wie sie im letzten Jahr auch schon vorkamen.

Eine zweite Gefahr resultiert aus den Methoden, wie man diesen Terrorismus im Innern bekämpft. König Salman hat sich umgeben mit einer jüngeren Generation von Mitgliedern der Königsfamilie, die danach streben, sich als die endgültige Herrscherelite zu etablieren, und sowohl externe als auch interne Bedrohungen abzuwenden. Und wenn dies nur dadurch geschen kann, dass man eine härtere Haltung gegen Iran bei gleichzeitiger Unterdrückung lokaler Bedrohungen im Königreich einschlägt,, dann ist es genau das, was sie auch tun wollen..

Das Problem mit dieser aggressiven Positionierung ist, dass es nur durch Überkompensation erreichbar ist, was im Innern das Risiko von Massenverhaftungen mit sich bringen und Iran in einen die Region übergreifenden Religionskrieg verwickeln könnte. Dabei scheint man in Saudi-Arabien auch zu vergessen, dass Iran nicht etwa zu einer Regionalmacht werden will bzw. werden könnte, sondern dass Iran, Persien, auf Grund seiner Grööe, seiner Bevölkerungszahl, seiner Resourcen und seiner mehr als dreitausendjährigen Geschichte bereits seit langem eine Regionalmacht i s t, heute unter der Mullah-Herrschaft als Islamische Republik genauso wie früher als Monarchie unter den Shah-Dynastien.

Ausgleich mit Iran ein Gebot der Stunde

Wenn man also, statt diese Realität anzuerkennen und den Iran wirtschafts-und sicherheitspolitisch in die Region zu integrieren, die sunnitisch-schiitische Karte zu sehr spielt und dadurch eventuell junge Saudis radikalisiert und als Verteidiger der Sunniten gegen die Schiiten positioniert, so könnte ein solcher Schuss auch nach hinten losgehen und ein perfektes Szenario und eine Steilvorlage für den IS - der ja die Schiitenganz offen ( und eigentlich ebenfalls auch Grundlage des Wahabismus) nicht einmal als Muslime anerkennt, auf diesem Weg fort zu schreiten.

Es bleibt daher zu hoffen, dass des dem Westen, vor allen den USA, gelingt, Saudi-Arabien wieder „einzufangen“ und einen irgendwie gearteten Ausgleich zwischen Saudi-Arabien und seiner verbündeten Golfstaaten und dem Iran zu schaffen.Vielleicht wird es letzlich ein gemeinsamer , auch militärischer, Kampf gegen die Brutalo-Islamisten des IS sein, der die beiden anagonistischen Seiten auf eine gemeinsame Linie bringt und eine sicherheitspolitische Lage am Persischen Golf schafft, die es erlaubt, das wirtschaftliche Potential der Region zur vollen Entfaltung zu bringen.


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